(abg) Als ehemaliger Unternehmensberater sehe ich die Leistungen der Branche ja durchaus differenziert: Berater leisten teilweise hervorragende Arbeit und können neue Ideen und Sichtweisen in Unternehmen einbringen, die diese allein nicht erkannt hätten. Gleichzeitig sind Unternehmensberatungen aber auch ein Sammelbecken für kreative Schönredner ohne fachliche Substanz. In welche Kategorie die Sparte «Healthcare» der PriceWaterhouseCoopers (pwc) fällt, überlasse ich dem Urteil der Leser.
Das pwc-Team rund um den Beratungsleiter Philip Sommer hat kürzlich eine als «Studie» bezeichnete Werbebroschüre herausgebracht mit dem durchaus ansprechenden Titel «Zukunft der Versorgungslandschaft Schweiz». Keine Angst: Sie können sich die Studie ruhig herunterladen und durchlesen – die Top-Unternehmensberater haben es geschafft, die Lösung struktureller Probleme im Gesundheitswesen kindergartengerecht mit bunten Ausmalbildchen zu lösen. Das versteht echt jeder – viel Substanz steckt ja auch nicht dahinter.
Offensichtlich mit dem Ziel, etwas schlauer zu klingen, als der Inhalt wirklich ist, wird ständig von einem «hub and spoke»-Ansatz gesprochen. Auf Deutsch: ein Zentrumsspital (=Hub) umgeben von Gesundheitsdienstleistern mit reduziertem Angebot in der Region (sog. «Spokes»). Uralte Idee, längst Realität, aber mit dem Begriff «hub and spoke» in ein vermarktungsfähiges Beraterkonzept gepresst.
Das wäre alles todlangweilig und ganz sicher keiner Erwähnung wert. Wenn nicht… tja: wenn nicht ausgerechnet das Spital Zweisimmen in diesem pseudo-innovativen Unternehmensberater-Kauderwelsch auftauchen würde.
Spital Zweisimmen als (erfolgreiches?) Praxisbeispiel für einen «Gesundheitscampus»
Tatsächlich definieren die Berater von pwc auf Seite 24 ihrer bunten Broschüre den dritten von vier sogenannten «spokes». Der «Spoke 3» ist demzufolge ein «kleiner, regionaler Gesundheitscampus für ambulante und elektiv-stationäre Behandlung kombiniert mit Spitex und ambulanter Rehabilitation.»
Eckdaten eines solchen Gesundheitscampus nach der Vorstellung von Philip Sommer und seinen Kollegen: Ein Einzugsgebiet von >40’000 Personen, 40-50 Ärzte, 3 Operationssäle, 25-35 Betten. Und ca. 3-5 Millionen Franken Überschuss pro Jahr.
Was das mit Zweisimmen zu tun haben soll? Offenbar ziemlich wenig, denn mit 17’000 Personen im Einzugsgebiet und starken saisonalen Schwankungen passt das Spital Zweisimmen gar nicht in die Charakterisierung der Berater. Und mit prognostizierten Defiziten im Spital Zweisimmen von 4-6 Millionen Franken pro Jahr ist auch wirtschaftlich keine Gemeinsamkeit zu erkennen.
Dennoch wird ausgerechnet das Spital Zweisimmen im Abschnitt zum «Gesundheitscampus» als Praxisbeispiel dargestellt. Nota bene: die Diskussion über einen Gesundheitscampus in Zweisimmen gestaltet sich zäh wie Kaugummi und ist über vage Vorstellungen noch gar nicht hinaus. Ein solcher «Gesundheitscampus» ist derzeit allenfalls eine verschwommene Idee.
Oder anders ausgedrückt: Das Spital Zweisimmen gibt es schon lange – durch kontinuierlichen Leistungsabbau und Umbenennung des übrig bleibenden Gerippes in «Gesundheitscampus» ist für die Bevölkerung überhaupt nichts gewonnen und in der Sache auch kein Problem gelöst.
Da kann man nur sagen: Herzlichen Glückwunsch! Es ist zwar noch nichts erreicht, aber die Beraterbranche feiert den nicht existenten «Gesundheitscampus Zweisimmen» schon als Vorzeigeprojekt.
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