(abg) Die Medbase betreibt seit fast einem Jahr eine Hausarztpraxis in Zweisimmen. Was von manch einem Gesundheitsexperten in der Region als Lösung aller Probleme angesehen wurde, hat sich bereits von Beginn an als reine Verlagerung des Problems erwiesen: es gibt zu wenig Ärzte, die als Hausarzt tätig sein wollen und das trifft besonders den ländlichen Bereich. Auch bei der Medbase. Per Medienmitteilung liess die Medbase heute Vormittag wissen, wie sie dieses Problem lösen will: In dem ärztliche Leistungen zukünftig von Nicht-Ärzten erbracht werden. «Innovativ» nennt die Medbase das. Eine Mogelpackung wäre wohl die treffende Bezeichnung.
Gruppenpraxen a la Medbase seien die Lösung aller Versorgungsprobleme – in diesem Sinne äusserten sich nicht nur Regionalpolitiker, sondern auch die GSS AG – da könnten Ärzte, wie Ärzte das heute nunmal wollen, auch wunderbar in Teilzeit arbeiten und flexibel bleiben. Das würde die Tätigkeit als Hausarzt gleich viel attraktiver machen. Selbst wenn das so sein sollte: auf die Idee sind andere natürlich auch längst gekommen und zwar auch im deutlich begehrteren städtischen Bereich. Einen Attraktivitätsvorteil kann man damit nicht erreichen. Die Kernprobleme bleiben. Ungelöst.

Dass musste auch die Medbase für ihre Praxis in Zweisimmen erfahren. Praktisch ohne Unterbrechung schaltet die Medbase Stelleninserate. Immer auf der Suche nach Fachärzten für Allgemeine Innere Medizin. Ganz offensichtlich immer erfolglos. Jetzt also die kreative Lösung: Ärztliche Leistungen sollen ab 1. März 2021 von Physiotherapeuten in der Praxis erbracht werden. Zum Arzt gehen, aber keinen Arzt mehr zu Gesicht bekommen. Mit der Dorfbevölkerung kann man es ja mal versuchen.
«Advanced Physiotherapy Practitioner APP» – als Arztersatz
Wer meint, die Medbase würde sich einen zeitversetzten Aprilscherz erlauben, liegt falsch. Die Medbase in ihrer Mitteilung wörtlich: «Die beiden Physiotherapeutinnen übernehmen in der Ärztepraxis Medbase Zweisimmen Aufgaben rund um Probleme mit dem Bewegungsapparat, die sonst ein Arzt der Praxis wahrnimmt.» Nichts gegen Physiotherapeuten. Nichts gegen Physiotherapeuten, die sich intensiv weitergebildet haben. Ärzte sind sie deshalb aber nicht.
Tatsächlich macht die Medbase auch deutlich, dass die beiden Physiotherapeuten, die ab März 2021 als Arzt-Ersatz tätig sein sollen, keineswegs in ihrem Beruf als Physiotherapeut bei der Medbase praktizieren sollen. Wiederum wörtlich aus der Pressemitteilung: «Sollte eine physiotherapeutische Behandlung nötig sein, werden die Patientinnen und Patienten an die niedergelassenen Physiotherapeutinnen und -therapeuten überwiesen.» Mit anderen Worten: die Medbase stellt Physiotherapeuten ein, die keine physiotherpeutschen Leistungen erbringen sollen. Sondern ärztliche Leistungen.
Folgefragen bleiben im Dunkeln: Abrechnung? Haftung?
Worüber sich die Medbase in ihrer Medienmitteilung ausschweigt, sind die nicht unwichtigen Folgeprobleme, die in dieser Konstellation geklärt und den Patienten transparent gemacht werden müssen: wie werden die Leistungen der Physiotherapeuten abgerechnet – wenn der Patient doch in eine «Arztpraxis» geht und eine ärztliche Untersuchung und Behandlung wünscht? Und wer haftet, wenn die Physiotherapeuten ärztliche Aufgaben übernehmen und dabei Fehler zum Schaden der Patienten machen?
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