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Déjà-vu? Ein neues Privatspital im Saanenland

(abg) Anfang Februar 2021 wurde die «Gstaad International Healthcare AG» mit Sitz in Saanen gegründet. Was unscheinbar klingt und eher an Medizintechnik erinnert, hat es aber in sich: laut Statuten geht es um den Aufbau einer Privatklinik und eines «medizinischen Campus» in Saanen. Und auch die medizinische Grundversorgung soll «unterstützt» werden. Das weckt Erinnerungen an ein früheres Projekt, welches aber wohl als gescheitert anzusehen ist. 

Manch einer erinnert sich vielleicht noch daran: 2008 plante eine Investorengruppe unter der Leitung des Orthopäden Urs Summermatter die «Orthopädische Privatklinik Schönried». 280 Millionen Franken sollten investiert werden für eine Luxusklinik nebst angeschlossenem 5-Sterne-Hotel für die mitreisenden Angehörigen. Nach Umplanungen und langwierigen Genehmigungsverfahren wies das Bundesgericht mit Urteil vom 15. Juli 2014 die letzte Beschwerde gegen die Ortsplanungsrevision zurück. Seit dem ist vom Projekt nichts mehr zu hören oder zu sehen. Ob es an fehlendem Durchhaltewillen in Anbetracht der zähen Bewilligungsverfahren lag oder an fehlenden Investoren? Man weiss es nicht und eine entsprechende Anfrage von rinderberg-news.ch blieb unbeantwortet.

Neues Team, neuer Versuch: die «Gstaad International Healthcare AG»

Die Idee, den Schönen und Reichen eine ganz besondere Luxus-Klinik in Gstaad zu bieten, ist damit aber nicht untergegangen. Vielmehr ist mit der Gründung der Gstaad International Healthcare AG genau diese Idee wieder zu neuem Leben erweckt worden.

Die Gesellschaft bezweckt die Entwicklung und den Betrieb einer forschungsgetriebenen Privatklinik unter anderem in Zusammenarbeit mit internationalen Partnern und mit der öffentlichen Hand. Der Zweck der Gesellschaft ist insbesondere der Aufbau und der Betrieb eines medizinischen Campus in Saanen, der Spitzenmedizin anbietet und die medizinische Grundversorgung sowie die wirtschaftliche Entwicklung der Region unterstützt.Statuten der Gstaad International Healthcare AG
Chirurgen bei der Operation
Chirurgen bei der Operation

Unklar ist bisher, an welchem Standort die Klinik entstehen soll. Unklar ist auch, welches Angebotsspektrum beabsichtigt ist. Und ob wiederum ein zur Klinik gehörender Hotel-Komplex entstehen soll. Viele offene Fragen, auf die der Verwaltungsrat der neuen Gesellschaft auf Anfrage bisher keine weiteren Auskünfte geben wollte. Also, alles nur heisse Luft? In Anbetracht des Gründer-Quartetts sollte man die Ernsthaftigkeit des Projekts nicht vorschnell in Abrede stellen.

Eine Gründer-Gruppe mit Stärken. Und Potenzialen.

Barbara Herbert, Gstaad, Aktienanteil: 25 Prozent: Herbert ist Verwaltungsratsvorsitzende der neuen Gesellschaft und damit -zumindest formal gesehen- das Oberhaupt. Seit längerem in Gstaad ansässig, ist sie als Industriellen-Erbin der deutschen Lenze-Gruppe vermutlich in der Lage, einen substantiellen Betrag selbst zu investieren und Türen zu anderen Investoren zu öffnen. Der Ursprung des Familienvermögens geht auf eine Geschäftsübernahme im Jahre 1947 zurück und seitdem ist die Gruppe im Maschinenbau tätig – Herberts Geld haftet insofern weder ein Geruch von Nazi-Vergangenheit an, noch von Opioid- oder Asbest-Skandalen. Alles sauber und damit beste Voraussetzungen.

Jacques Markus Kappeler, Gstaad, Aktienanteil: 25 Prozent: Markus Kappeler ist geradezu ein alter Bekannter in der Gstaader Projektwelt. Man darf davon ausgehen, dass er in verschiedene Sphären gut vernetzt ist. Eigentlich beste Voraussetzungen – wären da nicht sein früheres Engagement beim längst strauchelnden Tennis-Turnier in Gstaad und danach seine Tätigkeit als Stiftungsratspräsident von Les Arts Gstaad. Der rund 100 Millionen Franken teure Kultur-Bunker mitten in Gstaad hat sich in der Bevölkerung nie grosser Beliebtheit erfreut und konnte auch kein überzeugendes Investorenkonzept vorweisen. Bereits 2019 wurde die Auflösung bekanntgeben, spätestens als der für die Anlage erforderliche Tunnel im Dezember 2020 von der Gemeindeversammlung krachend versenkt wurde, ist das Projekt schlicht undurchführbar geworden. Ein Erfolg mit Les Arts Gstaad wäre sicherlich eine bessere Empfehlung für Kappeler gewesen.

Dr. Ralph Kray, Montreux, Aktienanteil: 25 Prozent: Kray, man kann es kaum anders sagen, ist eine echte Wündertüte mit vielen Überraschungen. Eins ist jedenfalls sicher: Kray hat mit seinen Studien in Evangelischer Theologie, Philosophie, Allgemeiner Literaturwissenschaft und Germanistik eine solide universitäre Ausbildung hinter sich. Mit seiner Dissertation «Wider „eine engbrüstige Imagination“: Studien zur medien-, stoff- und motivgeschichtlichen Typogenese des Herakles-Herkules-Mythos» konnte er sich einen Dr. phil. sichern. Sein Zugang zum Gesundheitsmanagement bleibt in seiner Vita zwar etwas nebulös, aber schreiben kann er darüber, was einige Buchpublikationen bei renommierten Verlagen bezeugen. Und damit gilt er zweifelsfrei als «Experte». Ein Leistungsnachweis für die praktische Umsetzung der guten Ideen ist freilich (noch) nicht zu finden und auch bei seiner Selbstdarstellung auf LinkedIn war der Marketing-Gedanke wohl vorherrschend – bezeichnete er sich doch dort als «Abteilungsleiter/-vorsteher» bei der Wirtschafts-, Energie und Umweltdirektion des Kantons Bern von Oktober 2017 bis Dezember 2020. Tatsächlich war er dort jedoch Einzelkämpfer – es gab keine entsprechende «Abteilung» und er hatte lediglich eine Teilzeitmitarbeitende zur «Entlastung im administrativen Bereich» bekommen, wie der Kanton auf Anfrage mitteilte. Anstatt meine Anfrage zur Gstaad International Healthcare AG zu beantworten, hat Kray inzwischen sein LinkedIn-Profil in diesem Punkt den tatsächlichen Verhältnissen näher gebracht. Nach eigenen Angaben ist Kray nunmehr Vollzeit-Geschäftsführer bei der Gstaad International Healthcare AG – er wird jetzt also zeigen müssen, was er als «Macher» wirklich drauf hat. Beten und Bücher schreiben wird nicht mehr genügen.

Walter Egger, Gstaad, Aktienanteil: 25 Prozent: Auch ein guter Bekannter in Gstaad und erstaunlicherweise der Einzige im Gründerquartett, der keine Funktion im Verwaltungsrat übernommen hat – was allerdings auch einfach daran liegen könnte, dass Egger der einzige im Quartett ist, der noch einer geregelten beruflichen Tätigkeit nachgeht und nicht auf Jobsuche ist. Eggers sichtbarste Tätigkeit ist seit 2010 die Präsidentschaft der Flugplatzgenossenschaft Gstaad-Saanenland. Im Prinzip also jemand, der Netzwerk und wirtschaftlichen Sachverstand einbringen könnte. Allerdings ohne jeden erkennbaren Bezug zum Gesundheitswesen.

Ein Gründer-Dream-Team?

Eine echte Idealbesetzung dürfte das Gründer-Team wohl nicht sein. Es fehlt praktischer medizinischer Sachverstand und ob irgend jemand von den Gründern wirklich in der Lage ist, einen überzeugenden Business-Plan für das Projekt auszuarbeiten, mit dem weitere Investoren von der Profitabilität des Projekts überzeugend werden können, muss sich noch zeigen.

Das heisst allerdings nicht, dass die Gruppe es nicht schaffen kann: die Querelen um die «Orthopädische Privatklinik Schönried» haben deutlich gezeigt, dass es vor allem einen langen Atem für Bau- und ggf. Betriebsbewilligungen braucht. Erst wenn einem Projekt auf dieser Ebene nichts mehr im Weg steht, macht es ernsthaft Sinn, mit passend ausgearbeiteten Unterlagen weitere Investoren zu gewinnen und in Zusammenarbeit mit Ärzten und Gesundheitsexperten ein sinnvolles Angebots-Portfolio zu erarbeiten. Mit entsprechendem Willen, Zähigkeit und Ausdauer dürfte ein Privatspital in Saanen machbar sein.


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