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Zurück zu den Wurzeln? Ziegen, Jodeln und die Gstaad International Healthcare AG (GIHAG)

(abg) Was für eine Woche, könnte man meinen – die regionalen Schlagzeilen wurden von Tradition und heiler Welt beherrscht. Oder doch zumindest vom wehmütigen Rückblick auf «die gute alte Zeit». Mit Berichten über Ziegen und den Jodlertag an der Lenk setzten die Medien ganz auf Tradition, ergänzt durch die Meldung, dass Zweisimmen nunmehr zu Destination Gstaad gehöre. Das freilich ist bereits seit vielen Jahren so – tatsächlich wurde nur die Organisation innerhalb der Destination angepasst. Aber was soll man auch tun, wenn sonst nichts passiert? Wobei… da waren doch noch andere Themen?!?

Bekanntermassen ist der Mai in der Region nicht gerade der Tourismus-, Veranstaltungs- und Politik-Höhepunkt des Jahres. Eben eher die regionale Saure-Gurken-Zeit. Aber dennoch – etwas los war trotzdem…

Swiss Helicopter Day auf der Basis Zweisimmen

So gibt es Dinge, die ziehen immer. Helikopter zum Beispiel. Und wenn dann noch das Schweizer Vorzeigeunternehmen schlechthin am Start ist, die Rega, dann sowieso. 2600 Besucher kam am vergangenen Samstag zum gemeinsamen Tag der offenen Tür von Swiss Helicopter und Rega, 200 hoben bei einem Rundflug selbst im Hubschrauber ab.

Eine Grossveranstaltung, die wahrlich nicht jeden Tag stattfindet und umso erstaunlicher, dass der Berner Oberländer, die Jungfrau Zeitung und der Anzeiger von Saanen der Veranstaltung komplett fernblieben und lediglich mittels Pressetexten der Veranstalter berichteten. Nun ja – man kann nicht überall sein – und warum sollte man dort hingehen, wo sehr viele Leser schon selbst hingegangen sind. Oder?

Saanen wird über das Land vom alten Spital abstimmen

In Gstaad steht am 9. Juni das Traktandum zur Gstaad International Healthcare AG (GIHAG) auf der Tagesordnung der Gemeindeversammlung. Worum es genau geht? Tja, also genau genommen… das ist etwas kompliziert: Die GIHAG möchte eine Luxusklinik für gut betuchte Menschen in Gstaad errichten und der Gemeinderat möchte ihr dafür das Land des alten Spitals in Saanen zur Verfügung stellen. Aber da die GIHAG noch gar nicht so genau weiss, was sie eigentlich wann und wie dort machen will, weiss der Gemeinderat auch noch nicht so richtig, wie und warum er das Land zur Verfügung stellen soll. Entsprechend nebulös ist der Antrag:

Der Gemeindeversammlung wird beantragt, zur Erstellung des «Gstaad Medical Campus» mit Privatklinik und öffentlichem Gesundheits- und Betreuungsangebot der federführenden GIH AG die ganze ehemalige Spitalparzelle Saanen GBB Nr. 3423 mit 7959 m² zur Verfügung zu stellen (z.B. im Baurecht). Diese Zusage ist gültig bis 30. Juni 2026.

Soll wohl heissen, dass der Gemeinderat Saanen ermächtigt wird, eine mehr oder minder verbindliche Zusage für die Nutzung durch die GIHAG zu machen. Wie genau? Unklar. Was nach dem 30. Juni 2026 passieren kann? Auch unklar. Welche Gegenleistungen die GIHAG erbringen müsste, wenn sie das Recht auf Landnutzung in Anspruch nimmt? Völlig offen. Ein Freifahrtschein für den Gemeinderat und die GIHAG.

Wichtig ist beiden Seiten aber, dass das Projekt auch die Grundversorgung in der Region unterstützt und daher irgendwie und von irgendwem auch noch eine hausärztliche Gemeinschaftspraxis integriert werden soll.

Beredtes Schweigen der Gstaad International Healthcare AG

Nicht minder unklar sind die Pläne der GIHAG. Im Interview mit dem Anzeiger von Saanen lieferten die Protagonisten Ralph Kray und Barbara Herbert Antworten, die mehr Fragen aufwerfen, als den beiden lieb sein kann.

Kostproben gefällig?

Zur Frage, wer die Hausarztpraxis betreiben soll und woher die Ärzte und die MPAs kommen sollten, heisst es: «Wir werden der Gemeinde Saanen Räumlichkeiten zur Verfügung stellen, die sie unter anderem für diese Praxis nutzen wird. Wer diese betreibt, ist nicht unsere Entscheidung.» «Und auch nicht unser Problem», hätte die GIHAG der Ehrlichkeit halber vielleicht noch ergänzen sollen.

Auf die Frage, wo die Fachkräfte herkommen sollen: «Aus dem grossen Pool unseres hervorragenden Netzwerkes. Dort gibt es Fachpersonal.» Noch irgendwelche Unklarheiten? Vermutlich sehen die GIHAG-Leute vor allem das Spital Zweisimmen als Teil ihres «hervorragenden Netzwerks» an, bei dem dann das Personal auf Kosten der regionalen Grundversorgung abgeworben werden kann.

Kray und Herbert betonen dabei, dass sie lediglich ein kleines Spital schaffen werden. Nur 45 Betten. Zum Vergleich: Das Spital Zweisimmen hat in der winterlichen Hochsaison 38 Betten, im Rest des Jahres ungefähr die Hälfte. Das ist ein mächtiges Wort, was die Anzahl der benötigten Fachkräfte angeht und so betont auch Kray: «Wir werden an die 100 neue Stellen schaffen. Aber vieles ist noch im Gespräch.» Wie die Stellen besetzt werden sollen, bleibt vage. Aber es ist ja auch alles noch «im Gespräch».

Apropos «im Gespräch»: Auf etwas tiefergehende Nachfragen zu den Plänen wollte die GIHAG nicht ins Gespräch kommen:

Vielen Dank für Ihre erneute Anfrage und die Information zu Ihrem Austausch mit der GSI. In Anbetracht Ihrer journalistischen Vorgehensweise haben wir entschieden, Ihnen keine weiteren Informationen weiterzugeben, da Sie diese aus unserer Sicht nicht sachlich weiterverarbeiten.Markus Iseli, Project Coordinator/Communication and Media, GIHAG

Huch!?! Was war denn da passiert?

Zweifelhafte Darstellung in den Erläuterungen der Gemeinde Saanen

Eigentlich war gar nicht viel passiert: Zwei Punkte aus den Erläuterungen zur Gemeindeversammlung habe ich mir mal genauer angesehen und nachgefragt. Offenbar sehr zum Missfallen der GIHAG. So kann man in den Erläuterungen unter anderem lesen:

GIH arbeitet eng zusammen mit den Gesundheits- und Wirtschaftsdirektionen des Kantons Bern, die ihre Ziele vollauf decken und den Gstaad Medical Campus im Kanton als wichtige Ergänzung und echten Zugewinn willkommen heisst.Erläuterungen zur Gemeindeversammlung

Wie es sich bei ordentlicher Recherche gehört, erfolgte natürlich eine Anfrage bei der Gesundheits-, Sozial- und Integrationsdirektion (GSI), ob ich diese Aussage so als Zitat der GSI verwenden könne. Antwort:

Nein. Die Aussage kann nicht als Zitat verwendet werden. Es gab lediglich verschiedene Gelegenheiten, an denen die GIH AG über den Projektstand informiert hat. … Die Pläne der GIH liegen uns nicht im Detail vor, weshalb sie von der GSI auch nicht kommentiert werden können. … die Aussage [stammt] nicht von der GSI .. und auch nicht von der WEU.Pressestelle der GSI

Nun denn – den Punkt kann man damit wohl als geklärt ansehen: Die Aussage der GIHAG ist also, wenn schon nicht frei erfunden, zumindest eine äusserst optimistische Interpretation der kantonalen Sichtweise.

Derart solide Recherche ist für die GIHAG offenbar bereits Grund genug, die Contenance zu verlieren.

Ein Spitalbetreiber, der noch nie ein Spital betrieben hat?

Der zweite Punkt betraf den zukünftigen Betreiber der Luxusklinik, nämlich die «Medpoint Health Partners, Houston Texas, USA». Auf deren Website, die zwischenzeitlich abgeschaltet war, findet man leider keinen Hinweis darauf, dass dieses Unternehmen überhaupt schon einmal ein Spital betrieben hat.

Sicher: Da sitzen kluge Köpfe mit viel Erfahrung im Spitalmanagement – nur arbeiten die halt als Berater. Mal hier, mal dort, mal irgendwo. Und auch die Abfragen in US-amerikanischen Wirtschaftsauskunfteien deuten bei Mitarbeiterzahl und Umsatz doch eher in Richtung einer kleinen, hoch spezialisierten Beratungsgesellschaft, statt in Richtung eines realen und erfahrenen Spitalbetreibers.

Gerne hätte ich von der GIHAG erfahren, welche Spitäler diese Gesellschaft, die bereits seit 2011 tätig ist, denn nun tatsächlich betreibt oder in der Vergangenheit betrieben hat. Bedauerlicherweise verhallte diese Frage unbeantwortet in der idyllischen Bergwelt des Saanenlandes… Man kann sich also leicht ausmalen, was von den übrigen Informationen zu halten ist, die die GIHAG bisher an die Öffentlichkeit gebracht hat.

Insofern darf man gespannt sein, ob die GIHAG am kommenden Dienstag, 23. Mai im Landhaus Saanen bei ihrer eigenen Info-Veranstaltung gesprächiger sein wird.


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