(abg) Im Simmental wurden die Schlagzeilen der vergangenen Woche geprägt von der Stockhornbahn AG, die einen herausragenden Abschluss präsentieren konnte und von der Diemtigtalerin Melissa Klossner, die in Oftringen das erste Frauenschwingfest gewinnen konnte. Im Saanenland standen dagegen die grossen Projekte der Bergbahnen Destination Gstaad (BDG) und der Gstaad International Healthcare (GIHAG) im Vordergrund. Doch es gab noch mehr Berichtenswertes.
Das Frauenschwingen ist, nach wie vor, eine ziemliche Nischensportart. Und dennoch: wer sich so regelmässig auf den ganz vorderen Rängen einordnen kann wie Melissa Klossner, dem kann man die sportliche Qualität nicht absprechen. Und so werden wir von der Diemtigtalerin wohl in der laufenden Saison noch häufiger hören.
Boltigen hat den Doktor!
Als vor einigen Monaten in Boltigen das Suchplakat für einen neuen Hausarzt aufgehängt wurde, wurde es belächelt. Und an einen Erfolg hat wohl sowieso niemand von ausserhalb geglaubt: «Du hast den Doktortitel? Wir die Frakturen.» prangte es an der Ortseinfahrt von einer Scheune. Lächerlich, oder?

Die Boltiger haben es nun allen gezeigt: Werbung wirkt. Ein neuer Hausarzt ist gefunden und die Verträge sind unterschriftsbereit. Die Gemeinde Boltigen will die Übernahme der Arztpraxis mit einem Darlehen von bis zu 700´000 Franken unterstützen, was Thema auf der am kommenden Dienstag, 30. Mai stattfinden Gemeindeversammlung sein wird. Wenn nicht in letzter Sekunde noch etwas schiefgehen sollte, hätten die Boltiger die Hausarztproblematik in ihrer Gemeinde gelöst.
Mohammed Al Saad heisst der Zukünftige, der sich nach internationalen Studien- und Arbeitsjahren in Australien, USA, Polen, Deutschland und der Schweiz jetzt mit seiner Familie in Boltigen niederlassen will. Die Facharzttitel für Innere Medizin und Kardiologie hat Al Saad in der Tasche und er dürfte damit beste Voraussetzungen für die Arbeit auf dem Land mitbringen. Vielleicht sollte die Gemeinde Boltigen auch bei anderen Gesundheitsprojekten die Führung übernehmen…
Gstaad International Healthcare mit Rückenwind
Auf fast genauso grosses Interesse wie kürzlich die Info-Veranstaltung der Gesundheit Simme Saane AG (GSS) stiess am vergangenen Dienstag der Informationsabend der GIHAG, die in Saanen auf dem Land des alten Spitals eine Luxusklinik errichten will. Und diese Veranstaltung kann man wohl als Erfolg für die GIHAG verbuchen, was auch die Autoren im Anzeiger von Saanen und dem Oberländer so sahen.
Das hat freilich wenig mit den Protagonisten oder der Qualität des vorgestellten Konzepts zu tun, sondern mehr mit der Tatsache, dass in Saanen einfach Ratlosigkeit hinsichtlich der zukünftigen Gesundheitsversorgung herrscht und man sich dort an jeden noch so dürren Strohhalm klammert, den jemand hinhält.
Aber zu den Protagonisten: Mit Barbara Herbert fing der Abend in der Tat gut an. Als souveräne Geschichtenerzählerin konnte sie ihr Publikum einfangen und auf einer emotionalen Ebene abholen. Vertrauen schaffen. Vielleicht ein wenig zu viel Anbiederei, aber unter dem Strich ein Erfolg.
Anders leider das Mastermind der AG, Ralph Kray. Der schaffte es in seinem vorbereiteten Vortrag nur selten, einen vollständigen Satz zu formulieren und quälte sich haspelnd durch das inhaltliche Konzept. Obwohl da ja auch inhaltlich nicht viel war. Schliesslich Walter Egger, der seinen Teil des Vortrags mit demonstrativer Langeweile runterleierte und es sich in der nachfolgenden Fragerunde nicht verkneifen konnte, zu wirklich jeder Frage noch seinen Senf abzugeben. Insgesamt leider kein Dream-Team.
Inhaltlich wurde für jeden, der sich nicht vor lauter Aufregung den Blick vernebeln liess, klar, wie das laufen soll: Die GIHAG will neurologische Erkrankungen und bestimmte Krebserkrankungen behandeln, insbes. Prostatakrebs und Brustkrebs. Dazu möchte man eine Top-Diagnostik mit Labor und bildgebenden Verfahren (MRI) installieren und auch Chemotherapien anbieten – nur operativ tätig sein wolle man nicht. Also weder ein Da-Vinci-Operationsroboter noch Arbeit mit Laser oder Skalpell.
Das Zückerli für die gemeine Bevölkerung soll eine 24/7-Hausarztpraxis auf dem Gelände sein, mit der die GIHAG aber letztlich gar nichts zu tun hat und deren Betrieb (und Besetzung mit Ärzten und nicht-ärztlichen Fachkräften) auch nicht ihr Problem ist. Das soll aber trotzdem kein Problem sein, weil die GIHAG-Klinik durch ihre angestrebte Kooperation mit der Johns Hopkins University eine «Sogwirkung» haben würde.
Mit anderen Worten: Weil im Nachbarhaus eine Privatklinik laufen würde, die ein Labor, ein MRI und einen Kooperationsvertrag mit Johns Hopkins hat, werden Ärzte und Fachkräfte aus aller Welt der Hausarztpraxis unter Leitung von Medbase, Praxamed, Medaxo oder wem auch immer, die Türen einrennen, um dort Krethi und Plethi mit ihren Durchschnitts-Wehwehchen behandeln zu dürfen. Klingt überzeugend? Naja, manche glauben auch an den Osterhasen und den Weihnachtsmann.
Verhältnis zwischen GIHAG und GSS? Nicht existent…
Zwei Punkte fielen dann aber in der abschliessenden Fragerunde doch noch auf und die betrafen das Verhältnis zur GSS. Denn für die GIHAG ist klar, dass sich die Pläne der GSS und der GIHAG ideal ergänzen würden und man auch gut kooperiere.
Und so brachte es Ralph Kray wirklich fertig, ein Beispiel für die zukünftige Zusammenarbeit zu nennen, bei dem man eigentlich nicht weiss, ob man lachen oder weinen sollte: Da die GIHAG ja keine Operationen durchführen wolle, könnten die entsprechenden Eingriffe ja im Spital Zweisimmen durchgeführt werden. Prostatakrebs? Zweisimmen! Brustkrebs? Zweisimmen! Grosse Tumorchirurgie als neues Geschäftsfeld eines Landspitals. Hatte ich das mit dem Osterhasen und dem Weihnachtsmann schonmal erwähnt?
Höhepunkt des Abends war allerdings eine ganz besondere Wortmeldung aus dem Publikum: Ausgerechnet Alexander Gäumann, Leiter der (gar nicht vorhandenen) Geschäftsstelle der GSS liess sich nämlich das Mikrofon reichen. Und stellte auf diesem Weg die Fragen der GSS an die GIHAG, speziell auch zur Konkurrenz um Fachkräfte.
Bei einer guten Kooperation würde man solche Fragen in einem Meeting besprechen – dass die GSS im bilateralen Austausch offenbar nichts erreicht und sich dann mittels Publikumsfrage an die GIHAG wenden muss, sagt mehr über das Verhältnis der beiden Organisationen, als Worte es je ausdrücken könnten.
Aber letztlich ist das auch egal, denn die rhetorische Frage des Abends lautete klar: «Was haben wir denn zu verlieren?» Nun, ausser, dass die Gemeinde Saanen sich andere Entwicklungsmöglichkeiten des Areals für ein paar Jahre selbst blockiert, eigentlich nichts. Und wenn das Luftschloss dann dereinst platzt, ist damit auch niemandem geschadet. Ausser vielleicht Barbara Herbert, deren Geld in dem Projekt versenkt wurde. Aber vielleicht schreibt sie dann mal ein Buch darüber, denn Geschichten erzählen kann sie.
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Wie können Operationen im Spital Zweisimmen statt finden wo man auch nicht weiss wie es weitergeht oder überhaupt weitergeht?