(abg) Bei der Gründung der Gesundheit Simme Saane AG (GSS) im Oktober 2019 schien alles klar: Mit einem Stammkapital von 100’000 Franken und einem Startup-Beitrag von 300’000 Franken, zwei Drittel von den Gemeinden, ein Drittel vom Kanton, sollte deutlich werden, dass die Gemeinden die Führung bei der GSS übernehmen wollten. Was jedoch kaum bekannt ist: Die am 15. Oktober 2019 in der Simmental Arena präsentierte Finanzierung war von den tatsächlichen Verhältnissen schon deutlich entfernt. Und in den letzten Jahren hat sich die GSS finanziell vom Kanton abhängig gemacht. Man könnte es auch böse formulieren und sagen: sie hat sich vom Kanon kaufen lassen.
Die geschätzte Kollegin Anita Moser war es, die im Anzeiger von Saanen die Finanzierung der GSS in knapper Form darstellte:
Mosers Darstellung deckt sich mit meinen Erinnerungen an diesen denkwürdigen Abend und deckt sich auch grundsätzlich mit den Folien, die an diesem Abend präsentiert wurden. Sie deckt sich nur leider nicht mit der Realität, soweit diese überhaupt aufklärbar ist.
Vom Start weg mehr Geld erhalten, als bekannt gemacht
Das Einfachste zuerst: Das Stammkapital in Höhe von 100’000 Franken wurde tatsächlich so von den Gemeinden des (gesamten) Simmentals und Saanenlandes eingezahlt. Haken dran und erledigt!
Beim sogenannten Start-up-Beitrag, der die Finanzierung der ersten 15 Betriebsmonate der GSS sichern sollte, also den Zeitraum von Oktober 2019 bis Ende Dezember 2020, wurden aber schon andere Dinge präsentiert, als tatsächlich geschehen sind. Denn der Betrag von 300’000 Franken wurde vollständig von den Gemeinden des Obersimmentals, des Saanenlandes und den Gemeinden Oberwil und Därstetten aufgebracht. Erlenbach und Diemtigen wollten sich nicht beteiligen, wie dieses Dokument der Gemeinde Lenk belegt.
Später kamen noch 30’000 Franken von der aufgelösten MeGSS hinzu – soweit alles bekannt.
Dass die Spital STS AG sich an der Start-up-Finanzierung der GSS AG beteiligt hätte, ist hingegen – anders als in der Präsentation im Oktober 2019 behauptet – nicht nachweisbar.
Und der Kanton? Nun, der Kanton hat über einen sog. «Leistungsvertrag» mit der GSS tatsächlich eine Finanzierung von 100’000 Franken vereinbart. Das geschah zwar erst im Juni 2020 – aber da wollen wir mal nicht kleinlich sein.
Ergebnis: Die GSS startete mit insgesamt 530’000 Franken in ihre Tätigkeit und nicht, wie am Gründungsanlass behauptet, mit 430’000 Franken. Davon stammten 70 Prozent aus den Gemeinden, die damit nicht nur Alleinaktionäre, sondern als Hauptgeldgeber wohl auch die tatsächliche Kontrolle über die GSS gehabt haben dürften.
Kanton hat die GSS «gekauft»
In der Folge betonte die GSS in diversen Pressemitteilungen, dass man «haushälterisch» mit den zur Verfügung gestellten Mitteln umgehen würde und erweckte dabei den Eindruck, als ob man jahrelang mit dem Start-up-Beitrag, der lediglich für 15 Monate vorgesehen war, arbeiten würde.
Eine Geschichte, die von der Realität allerdings weit entfernt war: Nach Hinweis auf das Informationsgesetz des Kantons Bern und einem weiteren E-Mail-Verkehr der eher rustikaleren Sorte mit Pressesprecher Gundekar Giebel, legte der Kanton schliesslich die Karten auf den Tisch:

Die Leistungsverträge sind im Bereich «Dokumente» abrufbar.
Schliesslich beantragte die GSS im Dezember 2022 bei den Gemeinden insgesamt weitere 200’000 Franken – und erhielt diese auch (dazu in einem späteren Beitrag mehr).
Ergebnis? Wie folgt:

Während die Gemeinden im Oktober 2019 noch vollmundig erklärten, die Gesundheitsversorgung via GSS AG «in die eigene Hand» nehmen zu wollen, hat sich das Blatt bis ins Jahr 2023 komplett gewendet: Es ist der Kanton, der die GSS mehrheitlich finanziert. Und, ganz nach dem Motto «Wes Brot ich ess, des Lied ich sing», hat der Kanton so die GSS dazu gebracht, vor allem die kantonalen Interessen zu vertreten: Abschiebung der Verantwortung für die Gesundheitsversorgung auf die Gemeinden und die dicke Rechnung, die irgendwann zu begleichen sein wird, werden auch die Gemeinden tragen dürfen.
Und unter diesen Aspekten macht es auch Sinn, wie die GSS informiert hat: Während der Kanton, gemäss den Angaben der GSS auf der Info-Veranstaltung am 8. August, den Businessplan bereits seit langem vorliegen hat und prüfen konnte, wurden die Gemeinden hierüber in Unkenntnis gelassen.
Traurig eigentlich nur, dass die Gründergemeinden bzw. deren Gemeinderäte sich das Heft derartig amateurhaft haben aus der Hand nehmen lassen.
Und festzuhalten ist: Die GSS hat seit ihrer Gründung Mittel bzw. Mittelzusagen erhalten im Gesamtumfang von (mindestens) 1,4 Mio Franken. Wo das Geld geblieben ist? Zu einem nicht ganz unerheblichen Teil sicherlich im Golfhotel Saanenmöser, wo die GSS bevorzugt ihre Meetings abhält – für das Spitalrestaurant in Zweisimmen war man sich ja lange Zeit zu fein und wollte sich wohl auch nicht dem «Fussvolk» aussetzen. Doch dazu, wie das Geld ausgegeben wurde, werde ich in einem späteren Beitrag noch genauer eingehen.
Sie wissen mehr über dieses Thema? Dann melden Sie sich! Auch sofort: per Whatsapp. Alle Nachrichten werden vertraulich behandelt; eine Namensnennung erfolgt nur mit Ihrem ausdrücklichen Einverständnis.
Es ist doch sehr schaade, dass wir über solche brisanten Details über die GSS und den Kanton bei keiner Infoveranstaltung und Fragerunde zu hören bekamen?! Warum stellte keiner von ihnen diese Fragen wie im Rinderberg-News beschrieben. Was nützten uns diese Infos erst jetzt und was soll der normale Bürger damit anfangen?
Guten Tag Frau Wampfler
Vielen Dank für Ihre Rückmeldung. Leider sind meine zeitlichen Möglichkeiten, mich mit dem Thema zu beschäftigen, auch begrenzt. Die rinderberg-news.ch sind eine rein ehrenamtliche Einrichtung ohne finanzielle Unterstützung von Dritten. Gerne würde ich auch den (nach der Infoveranstaltung veröffentlichten) Businessplan der GSS noch genauer anschauen – doch wird für eine wirklich solide Analyse und eine allgemeinverständliche Aufbereitung der Thematik vermutlich keine Zeit sein.
Mein Rat lautet daher: Wenden Sie sich an die Gemeinderäte in Ihrer Gemeinde! Diese sind Aktionäre der GSS und sollten mindestens über dieselben Informationen verfügen wie ich. Und diese sollten offene Fragen zu den bevorstehenden Abstimmungen auch beantworten.