(abg) Die «Gesundheit Simme Saane AG» wurde bekanntermassen am 15. Oktober 2019 gegründet. Aus welchen Personen der Verwaltungsrat jetzt noch besteht, behält die Gesellschaft aber lieber unter Verschluss. Richtig ist: Nach und nach stiegen Verwaltungsratsmitglieder aus. Und jetzt, wo es womöglich ernst wird und auch eine persönliche Haftung im Millionenbereich für die Verwaltungsräte drohen könnte, springen nochmal zwei Mitglieder ab.
Anlässlich der Gründung der GSS AG startete die gemeindeeigene Gesellschaft, die die Gesundheitsversorgung in der Region wieder «in die eigenen Hände nehmen» sollte, mit einem recht üppig dimensionierten Verwaltungsratsgremium. Wirft man einen Blick in das Handelsregister (Archivlink), so kann man dort auch heute noch die Gründungsbesetzung nachlesen:

In Worten: Stephan Hill, Notar Matthias Brunner, Ärztin Maria Ader, Treuhand-Leiter Marc Aellen, Albin Buchs und Toni von Grünigen als Gemeindevertreter von Simme und Saane, Peter Dolder von der Alterswohnen STS und Fritz Nyffenegger vom Kanton/GSI.
Ob diese Besetzung nun besonders clever war? Wohl eher nicht. Anstatt gnadenlos nach Fachkompetenz zu besetzen, ging es beim Verwaltungsrat der GSS halt doch mehr darum, jeder Interessengruppe mit einem Pöstchen zu dienen. Herausgekommen ist ein Gebilde, das mehr an eine Selbsthilfegruppe erinnert, als an ein kompetentes Management-Team. Tja, ist leider nicht mehr zu ändern.
Doch obwohl das Handelsregister noch heute die Informationen von acht ursprünglichen Verwaltungsräten verbreitet, haben die Hälfte davon das GSS-Schiff bereits verlassen. Die letzten beiden erst vor einigen Wochen.
Ärztliche Kompetenz? Fort…
Wenn man die Gesundheitsversorgung der Region komplett neu aufstellen will, dann ist die Hinzuziehung eines Arztes sicherlich eine sinnvolle Idee. Ob das nun in einem Verwaltungsratsposten münden muss oder ob nicht generell ein schlanker Verwaltungsrat mit einem etwas grösseren fachlichen Beirat eine bessere Struktur gewesen wäre…? Egal, es ist wie ist.
Und es ist so, dass die einzige Person, die tatsächlich als Leistungserbringer im Gesundheitswesen gearbeitet hat (und dies noch heute tut), als erste das Handtuch geworfen hat. Bereits auf der ersten ordentlichen Generalversammlung der GSS am 3. Juni 2021 verzichtete Ader auf eine Wiederwahl – «aus beruflichen Gründen» wie es von der GSS hiess. Und was auch immer das heissen sollte.
«Die Suche nach einer Nachfolgerin oder einem Nachfolger läuft», teilte die GSS damals im gleichen Atemzug mit. Offenbar war ein Kenner des praktischen Medizinbetriebs aber für den Posten nicht zu kriegen, denn einen Ersatz hat die GSS nie präsentieren können.
Kompetenz im Alterswohnen? Gegangen…
Nur wenige Wochen später, kurz nach seiner Wiederwahl als Verwaltungsrat der GSS, schmiss Peter Dolder das Handtuch – aus Protest, wie zu hören war. Die GSS verheimlichte diese Tatsache, in der Simmental Zeitung vom 18. November 2021 konnte man aber folgendes nachlesen:
«Die Alterswohnen STS AG betreibt Einrichtungen nicht nur im Simmental und Saanenland, sondern auch in
Steffisburg und Thun. Eine Zerschlagung dieser Struktur würde massive Effizienznachteile für die verbleibenden Unternehmensteile bedeuten», erläutert Dolder seine Sichtweise.Simmental Zeitung vom 18. November 2021, S. 2
Dolder sass also im Verwaltungsrat der GSS und wurde von Hill konsequent von allen Informationen abgeschnitten und über die GSS-Pläne getäuscht. Dass Dolder dann die Konsequenzen zieht, ist naheliegend. Ein Ersatz für Dolder, mit dem die Sichtweise und Bedürfnisse des Alterswohnens in die Arbeit der GSS einfliessen könnten, war von der GSS offenbar gar nicht gewollt und daher gab es auch nie Ersatz.
Kantonale Verantwortung in der GSS? Davon geschlichen…
Erst Mitte 2023 schlich sich heimlich, still und leise der Kantonsvertreter Fritz Nyffenegger von Bord des GSS-Schiffs. Öffentlich geäussert hat sich die GSS zu dieser Personalie nicht, doch der Plan bei Stephan Hill lautet, auf Nachfragen eine Vermeidung von Interessenkonflikten ins Feld zu führen.
Das freilich wäre eine ziemlich lächerliche Begründung: Denn dass die GSS, vor allem wenn es um die Verantwortung des Kantons für die Gesundheitsversorgung und um die kantonalen Gelder geht, naturgemäss andere Interessen haben muss, als Nyffeneggers Dienstherr, war schon bei der Gründung der GSS klar.
Viel naheliegender ist daher ein anderer Grund für den heimlichen Abtritt: Verwaltungsratsposten bringen nicht nur Prestige und mehr oder weniger viel Geld mit sich. Sie sind auch mit Verantwortung verbunden. Und wer als Verwaltungsrat seinen Aufgaben nicht ordnungsgemäss nachkommt, kann auch persönlich in die Haftung genommen werden. Oder im Falle von Kantonsmitarbeitern wie Nyffenegger, der Kanton, wie sich in Art. 100 des Berner Personalgesetzes nachlesen lässt:
Der Kanton haftet für den Schaden, den die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die nebenamtlich Tätigen in Ausübung ihrer amtlichen Tätigkeit Dritten widerrechtlich zugefügt haben.Personalgesetz des Kantons Bern
Wichtig zu wissen: «widerrechtlich» bedeutet nicht, dass jemand eine Straftat begehen müsste, um die Haftung auszulösen. Anders als in anderen Kantonen hat der Kanton Bern in seinem Personalgesetz die Haftung für seine Mitarbeiter auch nicht auf Vorsatztaten oder grobe Fahrlässigkeit beschränkt. Man muss also davon ausgehen, dass im Zweifel eine persönliche Haftung eines (kantonalen) Verwaltungsratsmitglieds auch eine Haftung des Kantons auslösen würde.
Und eine Haftung des Verwaltungsrates ist schnell erreicht, wie sich fachlich kompetent zum Beispiel hier bei Teichmann Law nachlesen lässt.
Bereits das Ingangsetzen eines Geschäftsbetriebes in dem Wissen, dass dieser voraussichtlich nicht finanziert werden kann und zu einem Konkurs führt, begründet eine Haftung. Scheitert die GSS also in einem Millionendebakel, werden sich die Gläubiger sicherlich zusammentun und ihre Forderungen gegen Gemeinden und den Kanton durchsetzen wollen. Dem Kanton allerdings ist es mit dem schnellen Absprung von Nyffenegger aber vermutlich gelungen, sich aus der juristischen Verantwortung herauszuschleichen.
Wirtschaftskompetenz? Die Reissleine gezogen…
Gleichzeitig mit Nyffenegger hat auch Marc Aellen das Weite gesucht. Und das hat es in der Tat in sich, ist Marc Aellen doch der «Kopf» der T&R Oberland AG und brachte als Wirtschaftsprüfer, Revisionsexperte und dipl. Steuerexperte genau die Fachkompetenz in die GSS ein, die dort niemand anders hatte. Kompetenz, die man für einen soliden Businessplan auf diesem Level gern dabei hat, wenn nicht sogar dringend braucht.
Oder muss man sagen: er hätte diese Fachkompetenz einbringen sollen? Denn in Anbetracht des fragwürdigen sog. «Businessplans» der GSS, den Finanzierungslücken im mittleren zweistelligen Millionenbereich und der offensichtlichen Unterkapitalisierung der GSS AG wäre es für einen Fachmann von Aellens Rang auch ein Ding der Unmöglichkeit, diesen Plan als Verwaltungsrat mitzutragen. Da käme er im Falle eines Scheiterns aus der persönlichen Haftung nicht mehr raus. «Jetzt oder nie?» Aellen hat sich für «jetzt!» entschieden und ist weg. Das sich abzeichnende finanzielle Desaster können dann die anderen ausbaden.
Zugang? Wirklich?
Ob Jean-François Andrey tatsächlich Mitglied des Verwaltungsrates geworden ist, bleibt derweil unklar – denn die einzig zuverlässige Quelle für eine solche Stellung – das Handelsregister – bestätigt diese von der GSS verbreitete Information bislang nicht.
Das mag aber auch an der insgesamt eher schlampigen Geschäftsführung der GSS liegen. Oder an ihrem Verwaltungsrat aus dem rechtlichen Bereich, dem Notar Matthias Brunner. Der hatte sich schon gleich bei der Gründung den peinlichen Anfängerfehler geleistet, die vollständigen Protokolle der GSS beim Handelsregisteramt einzureichen, die jetzt auf den rinderberg-news.ch hier und hier für jedermann einsehbar sind. Die sollten nämlich geheim bleiben und das hätte Brunner auch erreichen können – wenn er denn gewusst hätte, wie das geht.
Da kann es also auch nicht verwundern, dass Brunner keine Aktualisierung des GSS-Handelsregistereintrages in den vergangenen vier Jahren zustande bekommen hat. Und so wird er wohl auch den rechtzeitigen Absprung vom GSS-Schiff noch verschlafen.
Nachtrag
Dieser Beitrag hat zu ungewöhnlich vielen Direktanfragen geführt. Offenbar wird vor allem der Abgang von Marc Aellen bezweifelt. Nun, inzwischen hat die GSS auf ihrer eigenen Website die oben genannten Personen nicht mehr als Verwaltungsräte aufgeführt. Zum anderen hat mir Alexander Gäumann, der Leiter der (gar nicht existenten) Geschäftsstelle der GSS die Angaben auch noch einmal per Mail bestätigt:

Und auch die amtierende Gemeindepräsidentin von Zweisimmen, Beatrice Zeller, scheint diesen Beitrag für eine empfehlenswerte Lektüre zu halten und gibt dem Link auf Facebook ein „Like“:
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Das ist ja schlimmer als ich dachte!!
Ich hatte von Anfang an ein sehr ungutes Gefühl über die GSS AG, nicht zuletzt, weil auch die Statuten zuerst verheimlicht wurden… auf mehrmaliges Nachfragen erst hat man dann eine „Kurzversion“ erhalten, aus der Vieles schon zu interpretieren war….
Danke für’s unermüdliche recherchieren!!🙏
Ein weiteres betrübliches Kapitel in dieser Drama-Serie und dem unglaublichen Versteckspiel der GSS…