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Thuner Grossrat Carlos Reinhard lässt Speiser, Matti, Schär, Blatti und Fiechter bei Gesundheitsversorgung alt aussehen

(abg) Die Medaxo will das Spital Zweisimmen übernehmen – doch wann? Und wer stellt zur Übernahme eigentlich die wirklich wichtigen Fragen? Man könnte meinen, die regionalen Grossräte würden sich hier in Position bringen. Doch leider ist das nicht so: Einzig ein Thuner Grossrat der FDP fragt kritisch nach. Das Trauerspiel «Gesundheitsversorgung im Simmental und Saanenland» geht in den nächsten Akt. 

Die Grossräte Speiser, Matti, Schär, Blatti und Fiechter – wo sind sie eigentlich, wenn es um das Spitalthema geht? Ja, da wird im Grossen Rat das eine oder andere gefragt, doch letztlich bleibt der Eindruck: Es ist mehr Selbstdarstellung als Problembewusstsein. Sonst jemand? Ja, tatsächlich: Carlos Reinhard – ein Thuner.

Was ist denn nun mit Medaxo und Bruno Guggisberg?

Mit einer Interpellation stellt Reinhard die richtigen Fragen – greift dabei auch explizit die Meldungen auf den rinderberg-news.ch auf:

Der Regierungsrat wird um Beantwortung folgender Fragen gebeten:
1. Warum wird die neue Betriebsgesellschaft vom Kanton für den Betrieb in Zweisimmen durch Beiträge und Darlehen finanziert, was vorher der Spital STS AG nicht zugestanden wurde?
2. Ist der Regierungsrat nicht der Meinung, dass es eine Wettbewerbsverzerrung gibt, wenn die
Medaxo AG finanziell durch den Kanton unterstützt wird und andere mögliche Partner nicht?
3. Der Kurzmitteilung des Regierungsrates ist zu entnehmen, dass bis Mitte 2024 ein Abschluss mit der Medaxo AG erfolgen soll. Wenn dies nicht funktioniert, soll ein anderes Projekt der Spital STS AG mit einem Gesundheitszentrum umgesetzt werden. Sind die Projekte «Medaxo AG» und «Spital STS AG» unterschiedlich? Wenn ja, was sind die wesentlichen Vorteile des Medaxo-Projekts, die zu dieser Entscheidung geführt haben?
4. Der Berichterstattung war zu entnehmen, dass die aktuellen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Spital STS AG in Zweisimmen von der Medaxo AG übernommen werden. Ist die Bereitschaft der aktuellen Belegschaft vorhanden, die neue Anstellung anzunehmen (anderer Arbeitgeber, finanzielle Folgen, Unsicherheit usw.)? Wie sind die Anstellungsbedingungen der beiden Projekte der Spital STS AG und der Medaxo AG im Vergleich?
5. In der Medienmitteilung der Spital STS AG wird suggeriert, dass der Abgang des CEO der Spital STS AG mit dem Entscheid des Medaxo-Projekts begründet ist. Gab es einen anderen Grund (Berichterstattung «Rinderberg-News»)?
6. Erfolgte die Trennung seitens des Verwaltungsrates oder hat der CEO selbst gekündigt?
7. Gibt es eine bezahlte Kündigungsfrist oder würde die sofortige Trennung finanziell abgegolten? Oder wurde die Kündigung gar fristlos ausgesprochen und wenn ja, weshalb?
8. Hat der Regierungsrat Kenntnis von der Berichterstattung in den «Rinderberg-News» (publiziert am 28. März 2024), wo die Trennung des CEO der Spital STS AG in diametral anderem Kontext dargestellt wurde, als dass sie seitens der Spital STS AG mittels Medienmitteilung öffentlich kommuniziert wurde?
9. Wenn ja, warum haben weder der Verwaltungsrat, die Geschäftsleitung der Spital STS AG noch der Regierungsrat eine Richtigstellung verlangt bzw. die Vorwürfe gekontert oder wenigstens auf alles reagiert?
10. Gab es in der Zusammenarbeit zwischen Regierung (Eigentümer) und Verwaltungsrat einen Informationsaustausch über das Arbeitsklima auf Stufe Geschäftsleitung im Spital STS AG bzw. sind auf Stufe «Höheres Kader» aussergewöhnliche Fluktuationen beobachtet worden?
11. Aktuell haben viele kantonale Gesundheitsbetriebe im Kanton Bern finanzielle Probleme3 und der Regierungsrat will mit einem 100-Mio.-Franken-Sanierungspaket den Betrieben beistehen. Gibt es im Kanton Bern gesetzliche Grundlagen oder Reglemente, wann Bonuszahlungen im Verwaltungsrat oder in der Geschäftsleitung nicht mehr ausbezahlt werden dürfen?
12. Wenn es gemäss vorhergehender Frage eine solche Regelung gibt, wie wird dies kontrolliert?Interpellation vom 25. April 2024

Oder in der Kurzfassung: Die Medaxo unter Thomas Mattmann bekommt weit mehr kantonale Geldgeschenke, als die Spital STS AG oder auch die GSS AG je in Aussicht hatten. Warum eigentlich? Und hat die Medaxo irgendeinen überzeugenden Businessplan zu bieten und gewährt sie tatsächlich irgendwelche Garantien für die Versorgung?

Den Gerüchten zufolge will die Medaxo am Thuner Hauptsitz Bauarbeiten durchführen und benötigt in den nächsten zwei Jahren ein Ersatzspital, in dem sie ihren Privatklinik-Betrieb weiterbetreiben kann. Da käme das marode Spital Zweisimmen mit drei Millionen Franken Kantonsgeldern pro Jahr on top wie gerufen. Und danach? Tschüss und dichtmachen? Selbst mit kantonalen Bürgschaften ist nicht im Ansatz erkennbar, wie die Medaxo einen erforderlichen Spitalneubau in Zweisimmen finanziell stemmen könnte. Das ist drei Nummern zu gross für das Unternehmen. Merkt das ein Regierungsrat Pierre Alain Schnegg nicht? Oder will er das gar nicht sehen?

Und Bruno Guggisberg? Da legte heute der Berner Oberländer nach: «Aufstand im Spital Thun führte zum Abgang des Chefs». Das wussten die Leser der Rinderberg-News bereits vor über sechs Wochen…

Medaxo übernimmt zum 1. Juli? Nee, doch nicht…

Ab wann will die Medaxo denn das Spital Zweisimmen eigentlich übernehmen? Thomas Mattmann erklärte dem Personal im Winter 2024 noch, dass der 1. Juli 2024 der Termin sei. Für jeden, der etwas Kenntnis von den Hintergründen hatte, war das eine illusorische Luftnummer – denn wie Mattmann auf derselben Veranstaltung noch zum Besten gab, hat die Medaxo gar keine IT-Systeme, die für den Betrieb des Spitals Zweisimmens genutzt werden könnten. Eine so kurzfristige Übernahme war also von vornherein komplett unrealistisch.

Und nun? Hinter vorgehaltener Hand wird der 1. September 2024 kommuniziert. Nur offiziell sagen will das niemand – schon gar nicht den Betroffenen. Ob man auf diese Weise das Personal zu einer vertrauensvollen Zusammenarbeit bewegen kann?

Maternité Alpine mit Vernebelungstaktik

Sand in die Augen der Bevölkerung streut auch die Maternité Alpiné: Denn anders, als immer wieder behauptet, ist das Spital Zweisimmen überhaupt nicht mehr in der Lage, in Notfällen geburtshilfliche Eingriffe jederzeit zu ermöglichen. Der OP-Betrieb ist mangels Fachkräften nämlich in der Nacht nicht mehr möglich – das berichtete schon vor längerer Zeit unter anderem der Berner Oberländer.

Statt im Fachgebiet ausgebildeter und vor allem mit den örtlichen Gegebenheiten vertrauter OP-Pflegekräfte sollen im stressbehafteten Notfall schon heute die Hebammen bei Notfalloperationen assistieren. Kaiserschnitt? Nachblutungen? Notfallmässige Entfernung einer Gebärmutter? Das soll alles von Hebammen assistiert werden, die nicht einmal wissen, wo das benötigte Material gelagert ist und die für solche Tätigkeiten überhaupt nicht ausgebildet wurden. Falls das benötigte Material überhaupt verfügbar ist – denn einen Leistungsauftrag für die Geburtshilfe gibt es am Spital Zweisimmen ja bereits seit etlichen Jahren nicht mehr.

Ist das wirklich so? Ja, in der Tat: Bereits im Betriebskonzept der Maternité ist klar geregelt, dass man systematisch darauf vertraut, dass völlig unzureichend qualifiziertes Personal in lebensbedrohlichen Situationen die Mütter und Kinder schon irgendwie retten wird:

Wie wird eine lebensbedrohliche Situation an der Maternité Alpine bewältigt?
…Zudem kann aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen in einem lebensbedrohlichen Zustand Nothilfe am Spitalstandort Zweisimmen beansprucht werden…Betriebskonzept der Maternité Alpine Zweisimmen

Was heisst denn eigentlich «Nothilfe»? Das heisst, dass medizinisch vorgebildete Personen auch dann helfen müssen, wenn sie für die konkrete Aufgabe überhaupt nicht ausgebildet sind – oder, im Zusammenhang mit dem Spital Zweisimmen – wenn gar kein Leistungsauftrag vom Kanton vorliegt. Im Klartext: Ein Assistenzarzt, der nicht einmal in eigener Verantwortung eine Grippe-Diagnose stellen dürfte, müsste ggf. ohne weitere Unterstützung einen Kaiserschnitt durchführen – ohne so etwas je gemacht oder auch nur gesehen zu haben.

Für die Maternité unter ihrer Verwaltungsratspräsidentin und Grossrätin Anne Speiser ist das kein Problem: Man kann die Nothilfe ja «beanspruchen»! Es gibt ein Recht auf inkompetente Hilfeleistung. Und damit kann man die eigene Verantwortung ja auch wunderbar auf andere abschieben.

Verständlich, dass Grossrätin Speiser die Medaxo-Übernahme grosszügig befürwortet, denn damit würde ihr Lieblingsprojekt, die Maternité Alpine, auch weiterhin das Feigenblatt eines nahegelegenen Spitals für Notfälle vorgaukeln können. Nur klar ist auch: Unter der Medaxo wird die Versorgung von geburtshilflichen Notfällen auch nicht besser als bisher. Für die betroffenen Frauen und Kinder wäre damit also überhaut nichts gewonnen.


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