(abg) Die Fallzahlen der Chirurgie im Spital Zweisimmen gehen in den Keller. Sagt die Spital STS AG. Das kommt bei der desaströsen Führung in Thun nicht überraschend. Da verwundert es nicht, dass man in Thun an einen weiteren Kahlschlag denkt. Wer jetzt noch glaubt, die in Thun und in Bern würden schon eine ordentliche Gesundheitsversorgung in der Region gewährleisten, der wurde heute vom Regierungsrat eines Besseren belehrt.
Wer es lesen wollte, der konnte es bereits lesen: Die Spital STS AG bereitet die Öffentlichkeit auf einen Kahlschlag am Spital Zweisimmen vor – ohne (stationäres) chirurgisches Angebot. Statt Knochenbrüche nur noch Pflaster kleben. Anders konnte man die Pressemitteilung Ende Februar kaum verstehen:
Nun hat der Alleinaktionär nochmal nachgelegt. Der Kanton Bern, hier der Regierungsrat, griff die Pressemitteilung der Spital STS willig auf und sprach Klartext: In einer Antwort auf eine Anfrage «unserer» Grossräte Speiser und Schär, nimmt der Regierungsrat gar kein Blatt vor den Mund: «Aktuell ist die STS AG daran, das Betriebskonzept für den Spitalstandort Zweisimmen auszuarbeiten. Die Ergebnisse liegen noch nicht vor. Auch ist zurzeit noch nicht bekannt, welche Rolle die Chirurgie
einnehmen wird. Die Anzahl chirurgischer Eingriffe, die zu einem stationären Aufenthalt führen, ist aber heute bereits tief und rückläufig.» Und dann der Punkt:
Wumms. Das sitzt.
Katastrophale Entscheidungen der STS führen zu tiefen Fallzahlen
Warum die Fallzahlen in der Chirurgie so stark rückläufig sind? Das ist kein Schicksal. Sondern Versagen der STS-Führung. Oder gezieltes Herunterwirtschaften des Standortes, um einen halbwegs plausiblen Grund für einen Abbau zu haben? Das werden wir wohl erst in einigen Jahrzehnten erfahren, aber das Ergebnis bleibt dasselbe.
Was machte die STS also falsch?
- Mit der völlig vorhersehbaren Schliessung der Sterilisation am Spital Zweisimmen – bei einer turnusgemässen Prüfung von Swissmedic wurden inakzeptable Abläufe und nicht genügend qualifiziertes Personal festgestellt (der Prüfbericht liegt den rinderberg-news.ch vor) – musste eine andere Lösung gefunden werden. Wurde es auch, mit der Sermax AG. Nur müssen die Instrumente nun hin- und hergefahren werden, die Sermax arbeitet die Aufträge nachrangig ab (weil billiger so) und damit fehlt das Material tagelang in Zweisimmen. Operationen können nicht durchgeführt werden.
- Mit der Verpflichtung von Marius Ghidau als Stlv. Chefarzt hat die Spital STS AG einen hochspezialisierten Viszeralchirurgen eingekauft – obwohl der Grossteil der Fälle unfallchirurgischer Natur sind. Ein ganz hervorragender Chirurg sicherlich – nur einfach falsch in Zweisimmen.
- Mit Kordula-Pia Stolzenburg hatte die Spital STS im Dezember 2024 eine erfahrene Unfallchirurgin als weitere Stellvertretende Chefärztin eingekauft. Nur schmiss diese nach rund einer Woche in Zweisimmen den Bettel schon wieder. Medinside berichtete darüber.
- Unglücklich ist darüber hinaus der Ausfall von Chefarzt Daniel Trötschler aus gesundheitlichen Gründen. Wie lange der Ausfall genau dauern wird, ist unbekannt. Doch «einige Wochen» (aus denen nun schon immerhin über zwei Monate geworden sind) Ausfall des einzigen verbliebenen Unfallchirurgen am Spital ist in der Wintersaison natürlich für die Fallzahlen eine Katastrophe. Ein temporärer Ersatz? Vielleicht aus Thun? Fehlanzeige.
Das Ergebnis, welches die STS dann in Kürze präsentieren wird, wird für die Chirurgie absehbar katastrophal ausfallen. Aber nicht, weil es keine Patienten gegeben hätte. Sondern, weil man sie wegen Fehlentscheidungen des Managements nicht behandeln konnte.
Maternité Alpine im Abwärtssog gefangen
Vom bevorstehenden Kahlschlag in der Chirurgie ist auch die Maternité Alpine indirekt mitbetroffen. Gaben sich die Unterstützer dieser Einrichtung in der Vergangenheit noch Illusionen hin, dass die Spital STS AG eine Spitalsanierung durchführen würde und man dann in den neuen Räumlichkeiten des Spitals ein Geburtshaus betreiben könne, müssen diese wohl die harte Realität anerkennen.
Denn was sagt der Regierungsrat in Sachen Maternité? «Der Zugang zu einem OP ist im Kanton Bern keine Voraussetzung für die Betriebsbewilligung und /oder die OKP-Abrechnung über die Spitalliste. Vorgeschrieben ist aber ein Notfallkonzept, das gewährleistet, dass in der Regel eine ärztliche Interventionsmöglichkeit innerhalb von höchstens 15 Minuten besteht. Diese Vorgabe muss jedoch nicht zwingend bzw. nicht ausschliesslich mit einem Spital resp. dem Spital Zweisimmen sichergestellt werden.»
Mit anderen Worten: Formal gesehen sind die Anforderungen an eine ärztliche Notfallversorgung in Geburtshäusern so lächerlich niedrig, dass damit weder Mutter noch Kind in Notsituationen wirkungsvoll geholfen werden kann. Und selbst die 15 Minuten für eine ärztliche Interventionsmöglichkeit schafft die Maternité heute nicht – und hat sie auch früher nur in Idealsituationen geschafft: Bereits der Transport der Schwangeren im Haus der Maternité und in den PW der Einrichtung mit (zu) wenig Personal ist absurd. Die Sicherheit und Gesundheit von Müttern und Kindern in unerwarteten Notfallsituationen war den Verfechtern dieser Einrichtung insofern schon immer egal.
Doch ohne OPS und chirurgisches Angebot, fällt auch das letzte Scheinargument der Maternité in sich zusammen: Frauen könnten ja im Notfall im nahegelegenen Spital Zweisimmen auch ärztlich versorgt werden. Nein, das konnten sie noch nie. Mangels verfügbarer, fachlich passend qualifizierter Ärzte und auch weil mangels OP-Pflegepersonal ein Betrieb des Operationsaales schon seit langer Zeit nur noch Montag bis Freitag zu Bürozeiten gewährleistet ist. Notfall in der Maternité? Bitte nicht nach 17 Uhr! Denn dann ist endgültig Schluss mit lustig.
Irgendwie dämmerte es wohl auch dem Regierungsrat, dass eine effektive Versorgung von geburtshilflichen Notfällen im Spital Zweisimmen schon lange nicht mehr möglich ist, aber schwangeren Frauen irreführenderweise gerne etwas anderes erzählt wird. Und er fand klare Worte an die involvierte Grossrätin Anne Speiser:
Ohne OPS sind die Anforderungen «schwierig zu erfüllen»? Wohl kaum. Sie wurden noch nie erfüllt und sie werden es auch nicht. Lediglich das Feigenblatt einer Versorgungsmöglichkeit im Spital Zweisimmen würde entfallen. Das Marketing in sich zusammenbrechen. Die fehlende effektive Versorgungsmöglichkeit in Notfällen offensichtlich werden.
Ausblick in den Abgrund
Und nun, Spital Zweisimmen?
Die Spital STS hat das Spital heruntergewirtschaftet und wird es weiter tun. Die GSS AG war fachlich vollkommen überfordert, was mir hinter vorgehaltener Hand auch von mehreren Gemeinderatspräsidenten der Region bestätigt wurde. Die Medaxo hat sich mit ihrem Chief Medical Officer selbst ein Bein gestellt, dem nämlich die ärztlichen Berufsausübungsbewilligungen in mehrern Kantonen entzogen wurden und der mutmasslich in grossem Stil Abrechnungsbetrug mit Covid-Tests begangen haben soll.
Und Regierungsrat Pierre-Alain Schnegg geriet selbst ins Abseits, weil er die kantonale Mitfinanzierung aller denkbaren Lösungen unter rechtswidriger Umgehung des Grossen Rates durchschummeln wollte – und dabei aufgeflogen ist. Was ihn freilich wenig kümmern wird, denn im Vergleich zu seinen Problemen mit dem Inselspital ist Zweisimmen lediglich eine Randnotiz – egal, wie es ausgeht.
So, liebe Gemeinderäte und Grossräte. Und natürlich auch der Nationalrat Thomas Knutti, der je nach politischer Wetterlage mal aktiv in der IG Spitalversorgung ist und mal nicht: Ihr seid am Zug. Ok, seid ihr schon seit vielen Jahren und mit vielen personellen Veränderungen. Aber wer sollte sich um die Gesundheitsversorgung in der Region denn kümmern, wenn nicht ihr? Die Damen und Herren in Thun und Bern werden es nicht machen. Ihr habt keine Ideen? Ihr wollt nicht? Ihr möchtet dem lieben Pierre-Alain nicht öffentlich widersprechen? Oder euch die Möglichkeit auf ein gut dotiertes Pöstchen bei der Spital STS AG offen halten? Dann tretet zurück. Sofort. Macht Platz für Leute, die die Interessen der Bevölkerung wirklich wahrnehmen wollen.
Oh, es klingelt noch immer nicht? Gut, dann etwas Nachhilfe für unsere gewählten Volksvertreter:
- Die Versorgungsnotwendigkeit für das Spital Zweisimmen muss erhalten bleiben!
«Das nächstgelegene Spital für Patientinnen und Patienten, die Zugang zu den Spitalversorgungsleistungen in der Inneren Medizin, der Chirurgie und der akutsomatischen Notfallversorgung benötigen…» (Art. 11d SpVV). Mit der Versorgungsnotwendigkeit in der jetzigen Ausgestaltung ist eine Versorgung mit dem Basispaket Chirurgie eine Pflicht für die Spital STS AG. - Der Kanton ist für die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung letztverantwortlich! Er kann seine Aufgaben zwar in privatrechtlich ausgestaltete Gesellschaften delegieren (z.B. an die Spital STS AG), muss aber dann sicherstellen, dass die Versorgung von diesen Gesellschaften tatsächlich sichergestellt wird.
- Die Spital STS AG hat mittels Entscheidungen der Geschäftsführung die mit der Versorgungsnotwendigkeit verbundenen Aufgaben sicherzustellen. Das bedeutet, dass die STS sowohl in personeller Hinsicht als auch in räumlich-baulicher Hinsicht und in Hinsicht auf das verfügbare Instrumentarium und Material die Versorgung sicherstellen muss. Sofern aktuelle Vorschriften von Swissmedic erkennbar nicht eingehalten werden (z.B. im OPS), sind entsprechende bauliche Massnahmen (Sanierungen) unverzüglich einzuleiten.
- Kommt die STS diesen Pflichten nicht nach, ist der Regierungsrat verpflichtet, die Erfüllung der Pflichten durchzusetzen. Dazu hat der Regierungsrat die Möglichkeit, in einer (ausserordentlichen) Aktionärsversammlung den Verwaltungsrat neu zu bestimmen, der wiederum Einfluss auf die Geschäftsführung nehmen könnte. Ggf. bestünde faktisch also die Möglichkeit, unwillige Verwaltungsräte und Geschäftsführer auszutauschen und bei Gesetzesverstössen auch rechtlich zu belangen.
Sollten die gesetzlich zur Verfügung stehenden Mittel nicht ausreichen, um die Spital STS AG zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben zu zwingen, müsste der Regierungsrat die operative Steuerung der Gesundheitsversorgung wieder in die eigenen Hände nehmen und -speziell für die Region Simmental-Saanenland- der Spital STS AG die zugewiesenen Aufgaben der Versorgung wieder entziehen. - Ein zuständiger Regierungsrat, der die Letztverantwortung für die Gesundheitsversorgung seinerseits nicht annimmt und eine Mangelversorgung unter Verweis auf die Delegation an die Spital STS AG hinnimmt, ist zum Rücktritt aufzufordern. Auch von regionalen Politikern, die derselben Partei angehören, wie der Regierungsrat.
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Stark, folgerichtig, eindeutig. Hervorragender Artikel, der die Sache auf den Punkt bringt. Das Spital hat schlechte Karten, weil die Verantwortlichen mit Bedacht schlechte Karten verteilt haben. Wer steht dafür gerade?
Was bedeutet das für die Zukunft?**.