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Verkehrte Welt: Stimmbürger lassen sich Abstimmungsergebnis vorschreiben?

(abg) Die direkte Demokratie, speziell auf Ebene der kleinen Gemeinden, ist eine immer wieder betonte Besonderheit der Schweizer politischen Kultur – auch im gesamten Simmental und Saanenland. «Die Stimmberechtigten sind das oberste Organ der Gemeinde» – so steht es zum Beispiel wörtlich in Art. 2 der Gemeindeverfassung der Gemeinde Zweisimmen. Damit verbunden ist auch eine Verantwortung, wie jedes Jahr auch den Jungbürgern der Gemeinden bedeutungsvoll auf den Weg gegeben wird. Doch nun? Lassen sich die obersten Organe am 25. August, wenn es um die Abstimmungen zur Gesundheit Simme Saane (GSS) geht, wirklich in die Rolle des Befehlsempfängers manövrieren?

Seit wann wedelt der Schwanz mit dem Hund? Die GSS ist von den Gemeinden gegründet worden. Sie steht im Aktienbesitz der Gemeinden. Sie hat die Interessen der Gemeinden auftragsgemäss zu erfüllen. Sie hat sich dem Willen der Gemeinden zu fügen. Allen voran, dem obersten Organ der Gemeinden: der Gemeindeversammlung.

Wie kann es dann sein, dass die GSS die Verhältnisse auf den Kopf stellt? Einen Antrag vor die Versammlungen bringen lässt und nun sogar mitteilt, dass jeder erfolgreiche Änderungsantrag als «Nein» interpretiert werden würde (s. Simmental Zeitung vom 17. August 2023, Seite 2, «Standpunkt»)?

«Wenn Ihr uns, der GSS, nicht bedingungslos Gefolgschaft schwört, dann werden wir Euch bestrafen und Euer Spital schliessen!». Das sagt faktisch die Gesellschaft, die im Auftrag der Gemeinden(!) die Zukunft der Gesundheitsversorgung im Tal gestalten soll. Und die Stimmbürger? Lassen es sich mit sich machen. Lassen sich vom Auftragnehmer vorschreiben, was sie beauftragen sollen.

Rechte bedingen Verantwortung

Vor gut zwei Wochen, am 1. August, haben in vielen Gemeinden die Jungbürger wieder ihre Bürgerbriefe bekommen. Vom Stimmrecht war da die Rede, von der Verantwortung, die die jungen Menschen doch zukünftig auch mit Bedacht wahrnehmen sollten. Richtig so.

Der Verantwortung gerecht zu werden, ist nicht immer leicht. Vor allem bei so komplexen und fachlich anspruchsvollen Themen wie der zukünftigen Gesundheitsversorgung. Kann man da überhaupt als «einfacher Stimmbürger» durchblicken? Welche Risiken bestehen bei einem Ja? Bei einem Nein? Bei einem Änderungsantrag?

Fakt ist: Wer Warnsignale sieht und erkennt, wer Hinweise auf mangelhafte Geschäftspläne und Finanzierungslücken in Millionenhöhe einfach beiseite wischt und sich sagt «naja, es wird schon irgendwie gutgehen!», der handelt grob fahrlässig. Das ist im Jus-Studium nämlich genau die Faustregel, um grobe Fahrlässigkeit vom bedingten Vorsatz (Eventualvorsatz) abzugrenzen.

Den Jungbürgern Verantwortung predigen und selbst grob fahrlässig mit dem eigenen Stimmrecht umgehen? Das geht nicht. Jetzt geht es darum, die Verantwortung vorzuleben – auch wenn es diesmal sehr unbequem ist.

Gemeinderäte haben besondere Verantwortung

Auch die Gemeinderäte von Boltigen und Gsteig haben Verantwortung übernommen. Wer als Gemeinderat – noch dazu mit zusätzlichen, persönlichen Einblicken, die er in seiner Funktion nehmen konnte – zum Ergebnis kommt, dass er die (durchaus auch erpresserisch empfundene) Anfrage von einer Gesellschaft, die den Gemeinden eigentlich dienen soll, nicht mittragen kann, der muss das entsprechend im Gemeinderat und ggf. nach aussen vertreten und verantworten. Das verdient Respekt. Und das sollte zum Nachdenken anregen. Zum selbst denken.

Eine Lösung gibt es nur gemeinsam

Die GSS, die von allen Gemeinden des Simmentals, einschliesslich Oberwil, Därstetten, Erlenbach und Diemtigen, sowie den Gemeinden des Saanenlandes gegründet wurde, spaltet mit ihren fragwürdigen Vorschlägen und dem Stimm-Diktat die Bevölkerung. Gegen die Widerstände des Personals und fachlich fundierter Kritik von einigen Ärzten und ehemaligen Leitungspersonen aus dem Alterswohnen, will sie in einer «alles oder nichts»-Entscheidung einen Freibrief für die Zukunft haben. So geht es nicht.

Die Übernahme des Betriebs ist in den neuen Plänen erst auf den 1. Januar 2025 geplant. Das ist nicht viel Zeit, aber es pressiert auch nicht so sehr, dass eine sofortige Entscheidung alternativlos zwingend wäre.

Nur wenn Bevölkerung, Personal, Kanton und die GSS auf Augenhöhe mit gegenseitigem Respekt voreinander an einem Strick ziehen, besteht die Chance, die Gesundheitsversorgung an Simme und Saane nachhaltig und ohne «Ende mit Schrecken» zu gestalten. Gemeinsam, nicht gegeneinander. Auch wenn es zur Gemeinsamkeit ein schwieriger Weg ist.

Darum:

  • Ja zum Spital Zweisimmen!
  • Ja zu einem eigenständigen Alterswohnen!
  • Ja zu einer begrenzten finanziellen Beteiligung der Gemeinden am Spitalbetrieb!
  • Ja zu Transparenz und Offenheit in der Kommunikation!
  • Ja zu einer gemeinsamen Lösung unter Beteiligung des Personals und der Bevölkerung!
  • Daraus folgt: Nein zur aktuellen Vorlage der GSS und Rückweisung zur Überarbeitung bis zu den Gemeindeversammlungen im Herbst 2023 oder Frühjahr 2024!

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