(abg) Die Schlagzeile der Woche? «Er hat das Geld – und Boltigen das Desaster». Diese Überschrift stand allerdings nur in der Print-Ausgabe der Simmental Zeitung und obwohl ich schon mehrere Anfragen dazu bekam: Dieser Titel stammt nicht von mir. Hätte aber sein können. Doch noch ist zu dem Thema nicht alles gesagt – es gibt Neues. Und auch SVP-Jungspund Nils Fiechter sorgte in dieser Woche für schweizweites Gelächter.
Bekanntermassen wurden dem neuen Hausarzt in Boltigen, Dr. med. Mohammed Al Saad, die Anerkennungen seiner Facharzttitel wieder entzogen. Und in der Folge die Berufsausübungsbewilligung. Ende der Tätigkeit. Aus die Maus.
Wie das SRF inzwischen herausgefunden haben will, hat Al Saad seine Facharzttitel angeblich im deutschen Baden-Württemberg erworben. Nur wusste davon die zuständige Landesärztekammer rein gar nichts. Und zum angeblichen Prüfungsdatum fanden auch gar keine Prüfungen statt.
Wenn das SRF dort also ordentlich recherchiert hat – und daran besteht kein vernünftiger Zweifel – dann wird Al Saad wohl nicht mehr zurückkommen. Nicht als Arzt in Boltigen. Und nachdem sein Name im deutschen Sprachraum völlig verbrannt ist, wohl auch nicht mehr in die Schweiz, nach Österreich oder nach Deutschland.
BAG, GSI, GSS? Alle mit drin
Damit geht freilich auch die Suche nach den Schuldigen für die Hausarzt-Katastrophe los. Wer hat was geprüft oder übersehen? Wer hätte was tun müssen? Wer hat am entscheidenden Punkt geschlafen? Oder sich in seiner eigenen Expertise völlig überschätzt?
Tatsache ist: Das Bundesamt für Gesundheit, genauer die Mebeko, hat Al Saads Facharzt-Dokumente nebst ausführlichem Lebenslauf im Anerkennungsverfahren 2021 geprüft und für einwandfrei befunden. Oder, wie sich jetzt herausstellt, eigentlich gar nichts gemacht: «angesichts der grossen Anzahl Gesuche von ausländischen Ärzten kontrolliere man bei Verdachtsmomenten», zitiert das SRF die höchsten Gesundheitswächter. Heisst im Klartext: Man hat sich dort die hohen Gebühren von mindestens 800 Franken pro Dokument in die Tasche gesteckt, aber tatsächlich nichts weiter getan. Zu wenig Leute, zu mühsam. Keine Lust, keine Ahnung.
Auch der Kanton hat dann in der Folge Berufsausübungsbewilligungen erteilt, zunächst für die Praxis in Brienz, dann für Boltigen. Und dass das BAG ausgerechnet dann einen Tipp bekommen hat, als Al Saad die Praxis in Brienz verlassen wollte, wirft weitere Fragen auf: Hat die Praxis Gruppe Schweiz, der frühere Arbeitgeber von Al Saad, womöglich schon viel früher etwas gewusst oder vermutet? Und den Arzt erst auffliegen lassen, als man ihn nicht mehr brauchte? Es dürften in den nächsten Monaten wohl noch einige Überraschungen ans Licht kommen.
Eine weitere Überraschung hatte im Regionaljournal des SRF dann noch die Boltiger Gemeinderatspräsidentin Anna Bieri auf Lager: Denn was in der Textausgabe nicht zu lesen war, konnte man im Regionaljournal hier nachhören und zwar bei ca. Minute 15:22. Bieri sagt dort nämlich, dass nicht nur die Dokumente und Zulassungen von der Gemeinde auf ordnungsgemässe Anerkennung geprüft wurden, sondern auch, dass der ganze Vorgang der Gesundheit Simme Saane AG (GSS) zur Prüfung zugesendet wurde.
Offenbar hielten sich die Verwaltungsräte der GSS für kompetent genug, den Vorgang zu prüfen und zu beurteilen – jedenfalls meldeten sie der Gemeinde zurück, dass alles in Ordnung sei.
Fragt sich also, wen die Gemeinde noch hätte fragen sollen, wenn BAG, GSI und GSS alle mitteilen, dass mit Dr. med. Mohammed Al Saads beruflichen Abschlüssen und Zulassungen alles bestens sei und keine Anhaltspunkte für irgendwelche Unregelmässigkeiten vorliegen würden.
Frau oder Mann – oder mal so, mal so? Nils Fiechter gibt Rätsel auf
Dass der Oberwiler Gemeindeverwalter gelegentlich in der nationalen Presse auftaucht, dürfte bekannt sein. Allerdings nicht wegen seiner Tätigkeit in der Gemeinde Oberwil, sondern wegen seiner politischen Aktivitäten als Jung-SVPler.
Freilich lassen sich lokale Angestelltentätigkeit als Leiter der Gemeindeverwaltung und politische Tätigkeit nicht immer ganz scharf trennen. Jedenfalls dann, wenn es um die persönliche Integrität und Zuverlässigkeit geht.
Seine Verurteilung wegen Rassendiskriminierung war so eine Sache. Und dem einen oder anderen ist wohl noch seine Suche nach geeigneten Laiendarstellerinnen in Erinnerung, die in einem Polit-Werbespot nackt auftreten sollten, was dann ja auch für die gewünschten Schlagzeilen sorgte.
Und nun fragt die Berner Zeitung:
Wie bitte? Führt Fiechter ein Doppelleben? Zieht sich Fiechter im Schutz der Dunkelheit Frauenkleider an und sucht einschlägige Etablissements auf? Oder gehört gar eines der beiden nackten Hinterteile aus dem SVP-Spot in Wahrheit dem Chef-Strategen? Nun, das nicht…
Doch hat «Sarah Löchlinger» unter einem Bericht der BZ, in der über das Nachrücken von Fiechter in den Grossen Rat berichtet wird, einen lobenden Kommentar verfasst. Und sich dazu mit einer Mail-Adresse eingeloggt, die Nils Fiechter gehört und über die er seine politische Aktivität laufen lässt.
«Sarah Löchlinger» muss sich also für den Kommentar bei der BZ mit Fiechters Mail-Adresse eingeloggt haben. Und eine Mail-Bestätigung der BZ eben… bestätigt haben. Ohne Zugriff auf das Mail-Konto geht es nicht.
Fragt sich also, wie kam «Sarah Löchlinger» an Nils Fiechters Mail-Account? Hat sie ihn gehackt? Das wäre ein Problem, denn wenn ein Politiker seinen Polit-Mailaccount nicht vernünftig absichern kann, wie kann er dann in der Gemeindeverwaltung auch die IT-Sicherheit gewährleisten?
Die BZ lässt zwischen den Zeilen freilich klar durchblicken, was das wahrscheinlichste Szenario ist: Nils Fiechter hat mit falschem Namen, aber seiner richtigen E-Mail-Adresse den Kommentar verfasst. Und ist dabei aufgeflogen. Besonders clever wäre ein solches Vorgehen wahrlich nicht, aber… wie sonst?
Und Fiechter selbst? Äussert sich in gewohnter Art auf Twitter (neuerdings «X»), allerdings ohne eine Erklärung in der Sache abzugeben. Denn «einen Scherz erlauben» kann sich auf diese Weise nur, wer Zugriff auf Fiechters Mailkonto hat. Und da dürfte es nicht allzu viele Scherzkekse geben, auf die das zutrifft.
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