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Medbase Zweisimmen: APP-«Innovation» mit Ansage gescheitert

(abg) «Innovative Projekte stärken die Ärztepraxis Medbase Zweisimmen» – so verkündete die Medbase im Januar 2021 vollmundig: Da man nicht genug Hausärzte für die Praxis fand, sollten Physiotherapeuten plötzlich ärztliche Leistungen erbringen. Ich hatte dann ja auch ziemlich schnell darauf hingewiesen, dass das – schon aus rechtlichen Gründen – nicht funktionieren kann: Medbase Zweisimmen: Zum Arzt gehen. Aber keinen Arzt sehen. Nach der vollmundigen Ankündigung hörte man allerdings nichts mehr von dem Projekt – eher noch davon, dass die Medbase in Zweisimmen die Patienten nicht mehr behandeln kann und daher wegschickt. Jetzt ist klar: Das «innovative Projekt» ist krachend gescheitert. Und zwar genau aus den Gründen, die bereits zu Beginn absehbar waren. 

Wir erinnern uns: Zwei Physiotherapeutinnen mit einer Weiterbildung zur Advanced Practice Physiotherapy (APP) sollten bei Beschwerden am Bewegungsapparat die Patienten in der Medbasepraxis erstuntersuchen und über die weitere Behandlung bzw. Nichtbehandlung entscheiden. Neben dem Problem, dass die klinische Untersuchung und Diagnosestellung eine nicht delegierbare ärztliche Kernaufgabe ist und daher nicht an Nicht-Ärzte übertragen werden darf, krankte das Konzept noch an etwas anderem: Die Physiotherapeuten durften selbst auch keine physiotherapeutischen Leistungen in der Praxis erbringen.

Klingt irre? Ist aber so. Denn Physiotherapie, die über die Krankenversicherungen abgerechnet wird, erfordert eine ärztliche Verordnung und darf nicht von Physiotherapeuten erbracht werden, die vom verordnenden Arzt bzw. der entsprechenden Praxis bezahlt werden. Man will so verhindern, dass Ärzte quasi «sich selbst» auch noch Physio-Patienten zuweisen. Das war alles bekannt. Und wurde ignoriert.

Medbase will keine Fragen zum Thema beantworten

Jetzt, drei Jahre später, stellt sich heraus: Ja, es stimmt. Es gibt keine Abrechnungsmöglichkeit und deshalb wurde das Projekt auch vermutlich schon 2021, spätestens 2022 sang- und klanglos versenkt.

Das freilich erfährt man, auch auf Anfrage, nicht von der Medbase. Die möchte sich weiterhin wolkig-positiv geben und hat keine Lust darauf, klare Fragen auch klar zu beantworten:

Guten Tag Herr Berger

Vielen Dank für Ihre Anfrage zu unserem Medbase Medical Center in Zweisimmen.

Die Versorgungssituation in Zweisimmen stellt nach wie vor eine komplexe Herausforderung dar, so dass wir das Projekt APP in einem Gesamtkontext erörtern möchten.

Freundliche Grüsse

Leiterin KommunikationE-Mail der Pressesprecherin der Medbase vom 14. Dezember 2023

Nee, liebe Medbase: Mich interessiert kein Marketing-Blabla um einen imaginären «Gesamtkontext». Mich interessiert das Thema «Innovatives Projekt» im Zusammenhang mit den APPs – dazu hatte ich klare Fragen gestellt und auf ebenso klare Antworten gehofft. Hatte ich das? Ja, hatte ich:

Meine Fragen lauten daher:

– Sind die o.g. Annahmen zutreffend? Falls nein: Was ist zutreffend?

– Welchen konkreten Nutzen haben die heutigen Patienten der Medbase Zweisimmen von diesem „innovativen Projekt“?

– wurden die Leistungen der Physiotherapeutin jemals gegenüber der oblg. Krankenpflegeversicherung abgerechnet? Falls ja: auf welcher Rechtsgrundlage?

– Betrachten Sie das Projekt insgesamt als „Erfolg“? Falls ja: Wie kommen Sie zu dieser Einschätzung?E-Mail an die Medbase vom 13. Dezember 2023

Keine Abrechnungsmöglichkeit für Physiotherapeuten

Wenn die Medbase also keine Auskunft geben will, dann muss man sich die Informationen eben auf anderen Wegen besorgen. Und da wird man problemlos fündig: Denn das Projekt war ja «innovativ» und so erstaunt es nicht, dass eine in diesem Projekt tätig gewesene Physiotherapeutin dann über ihre Tätigkeit in Zweisimmen berichtet. In einem halbwegs «wissenschaftlichen» Kontext, nämlich auf einem «Interprofessionellen Symposium zu Advanced Practice – Physiotherapie» an der ZHAW (Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften) – und das bereits im April 2022.

Unter dem Titel «APP – ein Sonderweg im Simmental» (Archivlink: hier) berichtet eine der APPs dort über das Projekt. Auch das ist ziemlich schöngeredet, aber letztlich doch deutlich, vor allem die Seite 8 des Dokuments. Unter der Überschrift «Herausforderungen», der übliche Euphemismus für «Pleiten, Pech, Fehlplanungen und sonstige Pannen», wird dann deutlich, woran es gehakt hat:

• Kein Überschreiten der Phase 3
• Responsibility shift
• Leistungsverrechnung
• Fehlende rechtliche Grundlage
• Auslastung Sprechstunde
• Corona
• Eine PilotphysiotherapeutinVortrag «APP- ein Sonderweg im Simmental»

Im Klartext: Eine eigenverantwortliche Arbeit («Überschreiten der Phase 3» und «Responsibility Shift») hat es nie gegeben, eine rechtliche Grundlage dafür gab es nicht, die Abrechnung der Leistungen war nicht möglich, das Interesse der Patienten gering und (auch) durch Corona hat die APP nicht besonders viel zu tun gehabt. Und, ach ja: Statt der angekündigten zwei APPs in Zweisimmen gab es nur eine – offenbar hat eine der beiden Damen schon vor Beginn des Experiments das Handtuch geworfen.

Fazit: Das APP-Projekt ist gescheitert und hat den Patienten der Medbase-Praxis unter dem Strich nicht den geringsten Nutzen gebracht. Ausser einer Irreführung der Bevölkerung durch irreführende Pressemitteilungen der Medbase ist nichts Greifbares herausgekommen. Oder anders formuliert: Glauben Sie einfach nicht jeden Quark, der Ihnen per Medienmitteilung zum Gesundheitswesen in der Region aufgetischt wird!

Epilog: Wenn auch die Medienabteilung ihren Job nicht beherrscht

Offenbar befürchtete die Medbase – nicht ganz Unrecht – eine nicht so glamouröse Berichterstattung von mir zu diesem Thema. Und da die Öffentlichkeitswirkung für die Medbase offenbar ganz wichtig ist, wollte man dann zumindest so früh wie möglich, am besten schon vor der Veröffentlichung, wissen, was ich schreiben würde.

Glücklicherweise hat die Medbase zu diesem Zweck eine Agentur beauftragt, die einschlägige Medien beobachet und die Medbase-Pressestelle dann brühwarm über jede relevante Veröffentlichung informiert. Doch auch dieser Dienstleister hatte offenbar Sorge, dass ihm mein Text durch die Lappen gehen könnte: Ein Mitarbeiter der Medviu, einer Medienbeobachtungsagentur für die Gesundheitsbranche, meldete sich bei mir:

Sehr geehrter Herr Berger

Wir von der Medviu AG betreiben themenspezifische Medienbeobachtung für Anbieter aus dem Gesundheitswesen. Zu unseren Kunden gehören unter anderen Medbase, die im Simmental ein Medical Center betreiben.

Unser Kunde hat uns darauf hingewiesen, dass Sie demnächst einen für das Gesundheitswesen der Region relevanten Artikel in einer lokalen Zeitung veröffentlichen werden. Können Sie mir sagen, welche Publikation dies sein wird? Können Sie uns je nach Möglichkeit Ihren Text bereits zukommen lassen?

Für jegliche Hinweise und Hilfe sind wir Ihnen sehr verbunden.

Freundliche Grüsse


Account Manager & Junior Data Analyst

Lieber Junior Analyst von Medviu: Wenn die Medienbeobachtung von Eurer Firma das Geld auch nur annähernd Wert ist, was Ihr der Medbase in Rechnung stellt, dann werdet Ihr diese Seite auch ohne meine Hilfestellung finden. Würde ich nämlich an Deiner Stelle auch schaffen.


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3 Kommentare

  1. Urs Zumbrunnen Urs Zumbrunnen 13. Januar 2024

    Guten Morgen
    Meine Erfahrung als Patient war eine andere. Ich hatte ein Problem mit meiner Leiste/Huft und wurde von der Physiotherapeutin behandelt. Ich empfand die Amnese als sehr gründlich und kompetent. Das hatte ich bei muskulären oder Probelemen am Bewegungsapparet so noch bei keinem Arzt erlebt. Ich konnte danach zur Physio meiner Wahl und ganz erfreulich war, dass die Kosten für die Untersuchuchung und den zweiten Besuch zur Kontrolle zusammen gerade mal CHF 123.60 betrugen. (Zeit für die zwei Untersuchungen rund 1 Stunde.) Beim Arzt ist das jeweils ein weit höherer Betrag.
    Aus meiner Patientensicht beurteile ich die Innovation also als sehr gut.

    • abg abg Autor des Beitrages | 14. Januar 2024

      Guten Tag Herr Zumbrunnen
      Vielen Dank für Ihre Anmerkung! Es freut mich, dass Sie in diesem Zusammenhang gut betreut und behandelt wurden. Und ich bezweifle ja auch gar nicht, dass die eingesetzte APP-Kraft fachlich sehr gut ausgebildet wurde und den Patienten – innerhalb ihres Spezialisierungsgebietes – gute Dienste leisten kann.
      Wenn aber eine hochqualifizierte Fachkraft, hier also mit einem Masterabschluss einer Hochschule und umfassender berufspraktischer Erfahrung, sich rund eine Stunde mit Ihnen eigenverantwortlich beschäftigt und am Ende lediglich 123 Franken abgerechnet werden können (wobei ich mich selbst da noch frage, auf welcher rechtlichen Grundlage das geschehen ist…), dann wird doch deutlich, dass das für den Praxisbetreiber nicht kostendeckend sein kann. Welcher Handwerker kann mit solchen Sätzen überleben? Was berechnet Ihr Garagist pro Stunde?
      Das ist für Sie sicherlich eine willkommene Situation gewesen. Doch eine Lösung, die sich für den Anbieter unter dem Strich nicht rechnet, wird eben auch nicht nachhaltig funktionieren.

      • Urs Zumbrunnen Urs Zumbrunnen 15. Januar 2024

        Guten Abend Herr Berger
        Grundsätzlih ist das richtig. Aber kennen Sie die Löhne der Physios? Selbst mit Masterabschluss und somit einem 7 jährigen Studium liegen die Löhne da bei keine CHF 80’000.00. (n welchem Beruf gibt es das sonst noch?) Ein Arzt ist da natürlich wesentlich teurer und über die Praxis wird es sich somit wohl immer noch rechnen und als Krankenkassenzahler bin ich auch froh, wenn nicht gleich auf jeder Praxisrechnung der Ärztetarif verrechnet wird. Aber diese Betrachtung macht ja auch der Bundesrat nicht. https://www.physioswiss.ch/de
        Freundliche Grüsse

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