Wenn es schon nichts gibt, was man inhaltlich analysieren könnte, dann bleibt zunächst nichts anderes, als die Reaktionen der «wichtigen» Menschen zum Thema anzuschauen. Und das hat durchaus Potenzial für krachende Diskussionen.
Wie sicher ist das «Betriebskonzept» eigentlich?
Die Informationen der Spital STS AG zum neuen Betriebskonzept sind so dürftig, dass man darüber noch gar nichts Seriöses schreiben kann. Und lediglich Mia Schatzmann von der Berner Zeitung stellt – zumindest in einem Nebensatz – die entscheidende Frage: Ist das Betriebskonzept rechtlich überhaupt zulässig?
Mit anderen Worten: Das ganze Konzept hängt noch komplett in der Luft – nach derzeitiger Rechtslage dürfte die Spital STS AG es gar nicht umsetzen. Ohne tatkräftige Mithilfe von GSI-Direktor Pierre Alain Schnegg, der am Donnerstag, 24. April 2025 das «Betriebskonzept» in Zweisimmen mit vorgestellt hat, geht da gar nichts.
Freude bei den Gemeinderäten?
Man darf es wohl sagen: Fassungslos über so viel Naivität muss man sein, wenn man die Stellungnahme der Gemeindepräsidenten der Region liest.
Der Verlust der Chirurgie wird dann noch als «schmerzlich» vermerkt – man scheint in den Gremien nicht verstanden zu haben, was das bedeutet: Anpassung der Spitalliste, Absenkung der Standards, keine Anästhesie mehr (und folglich auch keine Maternité) und die Stockwerksanierung für den Notfallbereich -wenn sie denn tatsächlich umgesetzt werden sollte- zeigt deutlich, dass die Spital STS AG überhaupt kein Interesse an einer langfristigen Standortsicherung hat: Gebäude und Ausrüstung ächzt aus dem letzten Loch und die STS kündigt an, etwas Flickschusterei zu betreiben. Das ist kein Grund für Jubelgesänge, sondern zeigt einmal mehr, dass die Gemeindevertreter mit dem Spitalthema heillos überfordert und für die Spital STS AG ein leichter, naiver Gegner sind.
Freilich äussern die Gemeindepräsidenten auch Kritik: Die Spital STS AG habe nicht gut kommuniziert. Nun ja: wenn die Damen und Herren meinen, dass die mangelhafte Kommunikation der STS das grösste Problem sei, dann haben sie schon ein sehr eigenartiges Weltbild. Geradezu gönnerhaft äussern die Gemeindepräsidenten Verständnis für den Aufschrei in der Bevölkerung – nicht, weil die Forderung berechtigt wäre, sondern weil die Bevölkerung es ja nicht besser wisse:
Nein, lieber René Müller: Der Widerstand kommt nicht daher, dass die Bevölkerung ein tolles Konzept noch nicht verstanden hat! Der Widerstand kommt daher, dass die Bevölkerung offenbar sehr viel besser versteht, was die STS-Ankündigung bedeutet, als dies den Gemeindepräsidenten klar wäre.
Abgerundet wird die Mischung aus Ideen- und Mutlosigkeit dann mit der Aussage, die die Region über viele Jahrzehnte in die Misere hineinschlittern liess:
Irrtum: Es mag an einem formal-juristischen Mitspracherecht fehlen – politische Einflussnahme fehlt den Gemeindepräsidenten aber nur dann, wenn sie sich nicht entsprechend, vor und hinter den Kulissen, engagieren.
Gross- und Nationalräte kämpferisch – mit Ausnahmen
Ein völlig anderes und wohl auch realistischeres Bild zeichnen die Gross- und Nationalräte – ironischerweise vor allem die aus dem Niedersimmental (alle Stellungnahmen im Volltext in der heutigen Ausgabe der Simmental Zeitung nachlesbar).
- Allen voran Grossrat Nils Fiechter (Oberwil): Die Schliessung der Chirurgie «bedeutet den Anfang vom Ende des Spitals Zweisimmen und auch der privat organisierten Geburtshilfe, der Maternité Alpine in Zweisimmen und darf nicht akzeptiert werden!». Fiechter lancierte denn auch die Petition auf Campax, die einen Fortbestand fordert: Chirurgie erhalten – Spital Zweisimmen nicht beerdigen!
- In die gleiche Richtung geht es bei Dominik Blatti (Oberwil), der die Petition von Fiechter unterstützt. Grossrat Hans Schär (Schönried) legt den Finger in eine (der vielen) Wunden und fragt, ob die STS gegen sinkenden Fallzahlen genug unternommen habe – letztlich dahinterstehend die Frage, ob die Schliessung der Chirurgie überhaupt angemessen ist.
- Nationalrat Thomas Knutti (Därstetten) fordert ebenfalls, die Schliessung der Chirurgie zu verhindern und unterstützt die Petition Fiechters. Ausserdem organisiert er am 14. Juni 2025 eine Landsgemeinde zur «Rettung der Spitalversorgung Oberland-West». Nationalrat Andreas Gafner (Oberwil) unterstützt das Engagement der (oben genannten) Grossräte.
Einigkeit in der Politik? Mitnichten. Es gibt sie. Zwei Abweichler.
- Grossrat und Kandidat für das Amt des Regierungsstatthalters Matthias Matti (Zweisimmen) empfindet den Verlust der Chirurgie zwar auch als «schmerzhaft», findet aber kein Wort der Ablehnung zu den STS-Plänen. Er fordert stattdessen, dass die STS eine Info-Veranstaltung abhalten solle. Mit anderen Worten: Die Schliessung der Chirurgie geht schon in Ordnung, wenn die STS das in der Simmental Arena zwei Stunden lang dem Volk vorkaut. In der Sache? Nichts zu beanstanden.
- Richtig frech hingegen kommt Grossrätin Anne Speiser (Zweisimmen) daher und kanzelt ihren Kollegen Fiechter von oben herab ab: «Die lancierte Petition wird höchstens die Befindlichkeit der Bevölkerung widerspiegeln.» Aha. Und was ist nach Ansicht von Grossrätin Speiser dann zielführender? «Ich appelliere an den neuen Verwaltungsrat, den neuen CEO und an die Geschäftsleitung der Spital STS AG, unsere Anliegen ernst zu nehmen»!
Ja, hoppla – ein Appell! Ob das in den Thuner Chefetagen eine nachhaltige Wirkung entfalten wird?
Im Ergebnis nimmt aber auch Speiser den Fortfall der Chirurgie wortlos hin – lediglich möchte sie eine Lösung für die Maternité Alpine haben. Offen lässt sie, wie die ohne Chirurgie am Spital Zweisimmen aussehen könnte oder was konkret die Spital STS AG zu einer «Lösung» beitragen sollte. Denn klar ist: Rein formal gesehen ist die Maternité in keiner Weise auf ein Spital Zweisimmen angewiesen, erst recht nicht auf eine Chirurgie. Das für den Betrieb der Maternité zwingend vorgeschriebene Spital für Notfälle ist und war schon von Anfang an das Spital in Thun.
Bedenkt man, dass das von der Spital STS AG grob skizzierte «Betriebskonzept» derzeit gar nicht den gesetzlichen Anforderungen entspricht und noch die aktive Mitarbeit des Regierungsrates für die Umsetzung erfordert, ist Widerstand gegen die Schliessung der Chirurgie nicht nur sinnvoll, sondern auch Erfolg versprechend.
Warum also Teile der regionalen politischen Klasse den unklaren und nicht abgesicherten Vorschlag der STS ohne Murren hinnehmen und sich zum Handlanger der Spital STS AG machen? Das sollten Sie, liebe Leser, die gewählten Volksvertreter am besten selbst fragen! Per Mail oder auf einer der bevorstehenden öffentlichen Veranstaltungen.
Der Kandidat
Eine Person gibt es noch, die zwar kein politisches Amt in der Region bekleidet, aber doch zumindest für ein hohes Verwaltungsamt kandidiert und damit in direkter Konkurrenz zu Grossrat Matthias Matti steht: Den Kandidaten für das Amt des Regierungsstatthalters Obersimmental-Saanen, Stefan Janzi.
Dieser äussert sich auf Facebook wie folgt:
Die geplante Schliessung der chirurgischen Abteilung im Spital Zweisimmen bewegt unsere Region tief. Für viele ist klar: Ein Spital ohne Chirurgie ist kein echtes Spital mehr. Eine gute medizinische Versorgung in Wohnortnähe ist keine Frage von Luxus – sie ist Grundvoraussetzung für Lebensqualität, Sicherheit und Zukunft auf dem Land.
Sie wissen mehr über dieses Thema? Dann melden Sie sich! Auch sofort: per Whatsapp. Alle Nachrichten werden vertraulich behandelt; eine Namensnennung erfolgt nur mit Ihrem ausdrücklichen Einverständnis.
Gib den ersten Kommentar ab