Für die plötzliche Kehrtwende des Gemeinderats von Gsteig ist die GSS natürlich selbst verantwortlich: Warnungen und Forderungen von vielen Seiten gab es schon lange, doch wirklich Antworten liefern konnte oder wollte die GSS nicht. Eine lange Liste von Gründen brachte der Gemeinderat vor. Doch hätte es die gar nicht gebraucht. Denn nüchtern betrachtet beabsichtigt die GSS eine -in jeder Hinsicht- feindliche Übernahme des Spitalbetriebs und der regionalen Betriebe der Alterswohnen STS AG. Nämlich gegen den Willen der Leitung der Alterswohnen STS AG, gegen den Willen grosser Teile des Spitalpersonals und gegen den Willen grosser Teile des Alterswohnenpersonals. Das Projekt trotz aller Zweifel, Unklarheiten und Ablehnung der wichtigsten Menschen in diesem „Spiel“, nämlich der Mitarbeiter der betroffenen Betriebe, durchzudrücken, ist weit mehr als mutig. Eigentlich hätte die GSS erstmal ihre Hausaufgaben bei den Beteiligten machen und diese von ihrem Plan und sich selbst überzeugen müssen. Doch dafür fehlte plötzlich die Zeit – nach 3,5 Jahren GSS-Tätigkeit.
Gut verhandelt – oder doch nicht?
Auch die IG Spitalversorgung ist nach einem längeren Dornröschenschlaf wieder erwacht und stellt die Verhandlungsergebnisse der GSS infrage. Leider bleiben die Hintergründe dieser Überlegungen etwas nebulös, doch ganz von der Hand zu weisen ist der Vorwurf nicht:
Die Spital STS AG rechnet mit einem jährlichen Betriebsdefizit in Zweisimmen von 5-6 Mio. Franken. Geht man mal konservativ davon aus, dass wegen der Versorgungsnotwendigkeit (Art. 11d Spitalversorgungsverordnung) und dem Gebäudezustand des heutigen Spitals der Betrieb noch sechs Jahre weitergehen wird, dann würde das für die Spital STS AG einen Verlust von 33 Mio Franken bedeuten. Plus 4 Mio für den Abriss plus 2 Mio für die Asbestbeseitigung. Also 39 Mio Franken, die die STS sich sparen kann, wenn sie der GSS das Spital jetzt für einen Franken überlässt.
Die GSS bekommt dafür im Gegenzug 7,5 Mio Franken von der STS. Vielleicht. Wirklich sicher ist das nämlich gar nicht, weshalb die GSS in ihrer Planerfolgsrechnung (s. Abstimmungsvorlage, S. 18) diese Zahlungen aus Vorsichtsgründen überhaupt nicht eingerechnet hat. Das erfährt der geneigte Leser allerdings nur, wenn er bei der GSS entsprechend nachfragt. Aus der Abstimmungsvorlage selbst ist das nicht ersichtlich. Warum diese Unsicherheit besteht, erfährt man auch auf Nachfrage bei der GSS nicht.
Ergebnis: Die STS spart über einen Zeitraum von 6 Jahren rund 39 Mio. Franken ein, wenn sie das Spital zum 1. Januar 2024 an die GSS abtreten kann. Und zahlt der GSS im Gegenzug maximal 7,5 Mio Franken innerhalb von drei Jahren. Das klingt nach einem guten Deal – nur eben nicht für die GSS und nicht für die Region.
Wie geht es weiter?
Klar war von Beginn an: Nur wenn alle Gemeinden der Region Ja sagen, kommt die Gemeindefinanzierung für die GSS zustande. Durch das vorläufige Nein der Gemeinde Gsteig wäre es konsequent, die Abstimmungen in allen Gemeinden zu dieser Thematik abzusagen. Doch wird das auch passieren?
Am kommenden Mittwoch, 10. Mai trifft sich die Bergregion Obersimmental-Saanenland zur Hauptversammlung. Mit dabei: die Gemeinderats- bzw. Gemeindepräsidenten aller Abstimmungsgemeinden. Und obwohl nicht nur in Gsteig, sondern auch in anderen Gemeinden grosse Bedenken hinsichtlich der GSS-Pläne und -Rechnungen bestehen, könnten die beiden Co-Präsidenten der Bergregion, die (gleichzeitig) GSS-Verwaltungsräte Albin Buchs (St. Stephan) und Toni von Grünigen (Saanen) auf eine andere Lösung drängen: Durchführung der Abstimmungen in allen anderen Gemeinden um dann – sollten diese erfolgreich für die GSS verlaufen – die Gemeinde Gsteig zu einer baldigen ausserordentlichen Gemeindeversammlung mit Nachholung der GSS-Abstimmung zu drängen.
Am kommenden Donnerstag werden wir wohl schlauer sein. Und wissen, was die Schlagzeilen der nächsten Woche beherrschen wird.
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